: Kühle Atmosphäre zwischen Merkel und Netanjahu
ISRAEL Trotz zahlreicher neuer Abkommen bleiben politische Meinungsverschiedenheiten bestehen
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Recht steif stand Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Pressekonferenz in Jerusalem neben Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. 30 Minuten lang würdigte sie ihn am Dienstagmittag kaum eines Blickes und lächelte nur für den Bruchteil einer Sekunde bei der Übersetzung eines eigenen Scherzes.
Zuvor hatten die Minister der beiden Seiten in Arbeitstreffen eine ganze Liste neuer Übereinkünfte und intensivierter Zusammenarbeit entwickelt. Es geht voran mit den deutsch-israelischen Beziehungen, und doch halten grundsätzliche Differenzen die beiden Regierungschefs behutsam auf Abstand.
Differenzen im Hinblick auf den Iran
„Es ist ein Glück für uns, dass wir über alles reden können“, meinte die Kanzlerin, auch wenn man sich nicht in allen Punkten einig sei. Es sind dieselben Streitpunkte wie bei früheren Treffen, allen voran die israelische Siedlungspolitik, die Merkel seit Jahren verurteilt. Unterschiedliche Zielvorstellungen äußerten die beiden Regierungschefs auch in der Iran-Frage. Netanjahu fordert „null Zentrifugen, null Schwerwasser und null Plutonium“. Merkel würde sich mit einer „Anreicherung auf niedriger Ebene“ zufriedengeben, wobei sie einräumt, dass auch das „nicht ideal“ sei. Die Warnungen Israels und arabischer Staaten nehme sie wahr, betonte sie. Letztendlich betreffe jedoch die Gefahr eines Atomstaats Iran nicht nur Israel, sondern sei auch ein Problem für Europa.
Uneingeschränkte Rückendeckung genießt Jerusalem in Berlin bei der Forderung an die Palästinenser nach Anerkennung Israels als jüdischer Staat. Deutschland trete schon lange für die Zweistaatenlösung, also einen „jüdischen und einen palästinensischen Staat“, ein, meinte die Kanzlerin. „Die gegenseitige Anerkennung ist selbstverständlich eine Voraussetzung.“ Auch einen Boykott gegen Produkte und Institutionen in den Siedlungen hält Merkel nicht für hilfreich im Friedensprozess.
Zum Abschluss der Konsultationen versprach die Kanzlerin eine „sehr schnelle Lösung“ in der Frage der Ghettorenten. Die geplante Regelung sieht rückwirkende Rentenzahlungen an Zwangsarbeiter vor. Die beiden Regierungen kündigten außerdem eine konsularische Kooperation an sowie die gegenseitige Anerkennung der Führerscheine und die Möglichkeit von „working holidays“, einjährigen Visa für junge Leute, die das andere Land kennenlernen wollen.