TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Bitte schenk mir keine Apfelspalte
Manchmal genügt die bloße Wiederholung eines Settings, um Widerwillen auszulösen. Zum Beispiel die Zusammenkünfte frischer Mütter und Väter bei Apfelspalten und Heilsteinwasser.
Blähungen, Krabbelgruppe und Gebärmutterrückbildung – Verboten der Gedanke, dass man doch eher die erotische Transformation der Mütter und Väter verhandeln sollte. Ginge es denen wieder gut, liefe es mit den Babys beinahe von alleine.
Die neue deutsche Mutter darf es nur als Supermutter geben. Heldenhaft liegt sie bei Geburt 30 Stunden in den Wehen, um den Kaiserschnitt abzuwenden. „Du hattest einen Kaiserschnitt? Oh, du Ärmste“. „Nein, war ’ne freiwillige Entscheidung.“ „Dein Kind wird Krebs kriegen.“
Neun von zehn Krankenhäusern schreiben ein Gespräch mit einem Psychologen vor, entscheidet die Frau sich für eine nicht natürliche Geburt. Supermutter wird die Frau durch eine Koalition der Angst, die von einem alternativen Babykiezmilieu ebenso ausgeübt wird wie von einem medizinischen Apparat, das die Direktiven der stillfanatischen WHO durchsetzt: „Du stillst doch?“ „Nein.“ „Dein Kind wird ein allergisches Asthma entwickeln.“ Mutter Natur, mich fröstelt vor dir. Die US-Autorin Ayelet Waldman schreibt in ihrem Buch „Böse Mütter“ (Klett-Cotta, 2010), Kinder seien zum neuen Fetisch geworden. Schwer wiegt, dass Frauen über das Kinderkriegen neuen moralisierenden und normierenden Eingriffen ausgesetzt sind, die kaum diskutiert werden. Moral und Fetisch: Alles im Dienste des Guten. Die Frau: freundlich entmachtet.
■ Tania Martini ist Redakteurin der taz Foto: privat