: Falscher Akzent
Das Leben stellt das Kino nach. Das Theater will es auch und verliert dabei die Puste: „Außer Atem“ auf der Bühne
Wahrscheinlich war es ein Fehler, kurz vor der Premiere von Sebastian Schugs Theaterbearbeitung des Nouvelle-Vague-Films „Außer Atem“ noch mal das Original von Jean-Luc Godard zu sehen. Aber es ist nun mal passiert, und so kommt man unter dem starken Eindruck von Raoul Coutards süchtig machenden Schwarz-Weiß-Bildern in die Sophiensæle. Auch nach 47 Jahren frappiert noch immer die Sinnlichkeit und Authentizität der beiden Schauspieler Jean Seberg und Jean-Paul Belmondo – und vor allem der Geschichte selbst, die ja nichts weniger als die Frage „Wie soll man leben?“ verhandelt. Und zwar in dem Wissen, dass die Menschen in ihrem richtigen Leben die Intensität des Kinos nicht mehr finden und seine Kicks nun, wie Godards Protagonist Michel, in der Zwischenwelt von Boheme und Kriminalität suchen.
Doch schon der Blick auf die Rumpelkammer, die sich in den Sophiensælen als Bühnenbild (Katrin Wittig/Christian Kiehl) präsentiert, wirkt wie ein Sturz ins kalte Wasser: eine Art Gerüst, das hin und wieder zu raumähnlichen Einheiten organisiert ist. Im Laufe des Abends kehren Godards umbenannte Figuren zum Teil als Fratzen und Karikaturen wieder. Die szenische Bearbeitung weckt bald Zweifel, ob hier tatsächlich das Originaldrehbuch und nicht eher die schaurige deutsche Synchronfassung zugrunde lag, wo besonders das Deutsch mit dem nachgemachten amerikanischen Akzent von Jean Sebergs Synchronstimme den Film ruiniert. Katrin Hansmeier als Pet spricht nämlich ebenfalls Deutsch mit nachgemachtem amerikanischem Akzent. Auch sonst tauchen 1:1 Dialoge aus der deutschen Bearbeitung auf, ergänzt durch Zitate aus anderen Filmen aber insgesamt ohne Erkenntnisgewinn.
Die Posen des Films auf der Bühne einfach zu persiflieren, ist wohlfeil und führt ziemlich ins Leere. Darin ist weder eine gegenwärtige Perspektive auf den Stoff zu erkennen noch ein Zurückholen der Stimmung vom Aufbruch in neue Erzählweisen. Da helfen auch die hinzuerfundenen schwulen Polizisten (Alexander Schröder und Alexander Weise) nichts, deren zarte Liebe von Michels (der hier „Begbies“ heißt) Schüssen zerstört wird und von denen einer dann als surrealistisches Gespenst mit kaputtem Schirm weiter durch die Szene irrt. ESTHER SLEVOGT
Nächste Aufführungen am 30. + 31. 8., 1. + 3. 9. um 20 Uhr, am 2. 9. um 21 Uhr in den Sophiensælen