: Kieler Atomaufsicht hadert mit Vattenfall
Der Atomkonzern erklärt das AKW Brunsbüttel weiterhin für sicher, ohne die zuständige Landesministerin überzeugen zu können. Schützenhilfe bekommt er von der „FAZ“, die die Informationspolitik der Atomaufsicht zu diskreditieren versucht
AUS KIEL UND BERLIN ESTHER GEISSLINGER UND NICK REIMER
Das Atomkraftwerk Brunsbüttel bleibt am Netz – vorläufig. „Eine erste Sichtung der vorgelegten Unterlagen ergab noch diverse Nachfragen der Aufsichtsbehörde“, erklärte das Kieler Gesundheits- und Sozialministerium, das in Schleswig-Holstein oberste Atomaufsichtsbehörde ist. „Die abschließende Bewertung wird erst nach Auswertung der Prüfungen vorgenommen“, heißt es weiter. „Ein sofortiger Handlungsbedarf aufgrund der noch nicht vollständig vorliegenden Informationen wurde aber nicht festgestellt.“
Am Montag hatte Vattenfall Unterlagen eingereicht und sein AKW erneut für „sicher“ erklärt. Wie im schwedischen Reaktor arbeiteten zwar auch in Brunsbüttel Notstromaggregate mit Wechselstrom – die seien aber anders geschaltet. Daher sei Brunsbüttel deutlich sicherer, sagt Vattenfall.
Diese Behauptung wies Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) zurück: „Niemand hat Entwarnung gegeben.“ Trauernicht: „Unsere Meinung war immer, dass Brunsbüttel nicht dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entspricht.“ Forsmark habe gezeigt, dass nicht jeder Unfall vorhersehbar sei. Das Verhalten von Vattenvall sei „unakzeptabel“, die Landesbehörde habe „hinter den Informationen herlaufen müssen“, die Auskünfte seien „zu glatt in Bezug auf so einen alten Reaktor“. Ganz abgeschlossen sei der Fall erst, wenn der detaillierte Störfallbericht aus Schweden ausgewertet ist – vermutlich Mitte September.
Nach der desolaten Informationspolitik von Vattenfall versuchen konservative Kreise nun die Informationspolitik der Atomaufsicht zu geißeln. So zitierte die FAZ gestern aus einem seit dem 4. August bekannten Brief von Ministerin Trauernicht an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). „Mit dem größten Befremden“ kritisierte sie dort, wie ihr Haus über den Störfall informiert worden sei, so die FAZ.
Tatsächlich hatte Gabriel bereits am 9. August die Unstimmigkeiten ausgeräumt: International üblich ist, Störfälle über das internetgestützte Informationssystem (INES) an die internationale Atomenergiebehörde IAEA zu melden – und aktiv zu verbreiten. Vattenfall-Forsmark hatte den Störfall vom 25. Juli zwei Tage später um 15.26 Uhr über INES mitgeteilt. Das bedeutet, dass alle registrierten INES-Nutzer per Mail informiert wurden. Für die Bundesatomaufsicht werden diese Mails durch die Gesellschaft für Reaktorsicherheit ausgewertet, die Atomaufsichtsbehörden der Länder werten das System selbständig aus – so auch in Kiel.
Warum sich die FAZ mit dem Informationsfluss der beiden SPD-Minister befasst statt mit den Falschinformationen des Betreibers, kann nur gemutmaßt werden.