: Ein Mann mit Rückgrat
Leise Töne sind seine Sache nie gewesen. Zögern, Harren und Diplomatie noch weniger. Da ist es konsequent, dass Friedrich Schirmer, seit 2005 Intendant an Deutschlands größtem Sprechtheater, dem Hamburger Schauspielhaus, ohne Vorwarnung die Brocken hinwarf. Die durch Kürzungen verursachte Unterdeckung seines Etats für die kommende Spielzeit könne – anders als versprochen – doch nicht aufgefangen werden, hatte man ihm mitgeteilt. Ein Defizit wollte Schirmer aber nicht mitschleppen. Da geht er lieber zum 1. Oktober, ohne irgendeine Idee zu haben, was er danach tun will.
Dabei hatte er im Jahr 2005, als Hamburgs damalige Kultursenatorin Karin von Welck ihn holte, durchaus als Hoffnungsträger gegolten: nicht nur, dass der gebürtige Kölner, der schon mit 19 Jahren als Dramaturg arbeitete, geradezu göttliche Auslastungszahlen von bis zu 80 Prozent am Stuttgarter Staatsschauspiel hinbekam. Auch hatte er sich – wie zuvor an der Esslinger Landesbühne – nicht nur durch intelligente Konzepte und neu erschlossene Spielorte einen Namen gemacht. Schirmer hatte sich auch als Talent-Scout in der Szene Respekt erworben. Heutige Regiestars wie Martin Kusej und Stefan Kimmig hat er zum Beispiel entdeckt.
Kein Wunder also, dass man in Hamburg auf ähnliche Wunder hoffte. Auch Schirmer tat das – und irrte. Nicht nur, dass seine Spielpläne mäßig interessant bis defensiv blieben, auch die Jung-Regisseure, die er jetzt promotete, erreichten die Qualität ihrer Stuttgarter Vorgänger nicht. Das Publikum fremdelte. Dass Schirmer 2007 zudem den Suizid seiner Frau, der Festspiel-Intendantin Marie Zimmermann, verkraften musste, hat, gelinde gesagt, auch nicht geholfen.
Rückgrat bewies Schirmer dabei immer, zumal wenn er, der gern mal unvermittelt aufbraust, hin und wieder Querdenkerisches auf die Bühne brachte: Volker Löschs „Marat“ zum Beispiel, in dem Hartz-IV-Empfänger Hamburger Millionärsnamen verlasen. Für solche Ausbrüche aus dem sonstigen Kleist-Jahnn-Einerlei stand Schirmer dann auch gerade. Vehement verwahrte er sich damals gegen den Versuch von Hamburgs Kultursenatorin, die Lesung zu verhindern. Mit der gleichen Vehemenz hat er am Dienstag das Handtuch geworfen. PETRA SCHELLEN
Gesellschaft + Kultur SEITE 14