Schleichendes Mondlicht

Die Lichtkunst in Unna ist um eine hochkarätige Arbeit reicher. Rebecca Horn sei Dank. Doch das Museum am Rand des Ruhrgebiets muss immer noch um überregionale Anerkennung kämpfen

VON PETER ORTMANN

Im Ruhrgebiet ist es üblich, Kultur unter der Erde zu suchen. Auf der Zeche Zollverein in Essen soll sie im Jahre 2010 sogar 1.000 Meter tief zu finden sein. Für die „Zweite Stadt“ da unten ist Jenny Holzer längst vorgemerkt. Das heißt LED-Leuchtbänder unter Tage und stolze Kulturhauptstadt-Macher über Tage, die im laufenden Licht der amerikanischen Künstlerin mal wieder Selbstbräunung betreiben wollen. Schließlich ist Lichtkunst in und Essen selbst leuchtet momentan besonders hell. 55 Millionen für den Folkwang Museums-Neubau haben sie gerade von der örtlichen Krupp-Stiftung bekommen. Und Thyssen-Krupp (ein Bösewicht, der da jetzt einen Zusammenhang herstellt) will gar die eigentlich aus Energie geborene Skyline der Stadt verändern. Mit zeitgenössischer Stahl- und Leuchtkörper-Architektur für noch ein paar Dutzend Millionen Euros. Dazu gerade Design-Weltmesse im Weltkulturerbe, mehr als 300.000 Besucher bei Caspar David Friedrich. Alles natürlich überregional kommentiert und telegen aufbereitet. Wozu dieser Exkurs?

Nur ein paar Kilometer weiter sieht die Welt mitten in der kommenden Kulturhauptstadt Ruhrgebiet düsterer aus. Auch hier liegt Kultur manchmal unter der Erde, nur finanzieren will sie niemand so richtig. In Unna findet man Kunst in den Kellergewölben der ehemaligen Linden-Brauerei. Elfmal Kunst-Licht auf höchstem Niveau: Von Christian Boltanski und Mischa Kuball bis zu Keith Sonnier und James Turrell. „Nur so ergibt das langfristig Sinn“, hat Karl Ganser bei der Internationalen Bauausstellung (IBA, 1989-1999) gesagt. Und die Stadt, die Bürgermeister Werner Kolter selbst im „gewissen Sinne“ für Provinz hält, hat sich daran gehalten. Nur mit kräftiger Hilfe der Kulturstiftung der Länder konnte nun ein weitere Arbeit, „die international standhält“, so Kulturdezernent Axel Sedlack, installiert werden. Drei Jahre lang musste man aber im Internationalen Zentrum für Lichtkunst – dem weltweit ersten und einzigen Museum, das sich ausschließlich der Lichtkunst widmet – auf den „Lotusschatten 2006“ von Rebecca Horn warten.

Die Arbeit ist im kalten Keller entstanden, wo es immer noch ein bisschen nach Bier riecht. Die 18 langstieligen Blüten aus Kupfer wachsen aus einem unsichtbaren Sumpf, dessen Unterwasserwelt durch einen sphärischen Klangteppich des Neuseeländers Hayden Chisholm begleitet wird. Seit 2000 arbeitet er intensiv mit der renommierten documenta-Künstlerin zusammen. In einigen der metallischen Blüten rotieren unmerklich Spiegel, die mechanisch Licht und Schatten in dem 250-Kubikmeter-Raum verteilen. „Man muss hier jede Hektik vergessen“, sagt Rebecca Horn. Nur so sei das fahle „Mondlicht“ an den Wänden zu entdecken. Die Wurzeln der Unterwasserpflanzen säßen im erdigen Schlamm, ihre Lichtenergie aber würde sich an der Wasseroberfläche mit der Reflexion des Sternenlichts treffen.

Viele Arbeiten der Virtuosin des leisen Elektromotors leben von der Mystik ihrer selbst erschaffenen Welt. Doch spiegelt die Lotusblume auch nach buddhistischer Lehre das ganze Universum wider und repräsentiert dabei die vollkommene Harmonie von Yin und Yang. Sie entspringt dem Wasser (Yin) und strebt zum Himmel (Yang). Den wird die Stadt Unna wegen der Haushaltssicherung in den nächsten Jahren nicht erreichen. Eigentlich sollte noch eine große Arbeit von James Turrell im Außenraum des Lichtkunst-Museums errichtet werden. Doch die Pläne liegen momentan auf Eis. Nach der 200.000 Euro-Ausgabe für Horn lässt sich das in der kleinen Kulturhauptstadt nicht kommunizieren. Unna ist ja auch nicht Essen.

Zentrum für internationale Lichtkunst, Unna, Infos unter: 02303-103770Oder im Netz: www.lichtkunst-unna.de