Ewig währt am längsten

DISKURS Im „Unendlichen Gespräch“ diskutiert Dramaturg Tarun Kade mit prominenten Gästen über ihre Arbeiten. Am Mittwoch geht das Format in die vierzehnte Ausgabe

Die Gedanken ohne festes Ziel wuchern zu lassen, ist das erklärte Vorhaben des „Unendlichen Gesprächs“

VON JAN-PAUL KOOPMANN

„Das ‚Unendliche Gespräch‘ geht weiter. Es wird ewig weitergehen“, sagt Tarun Kade über seine Interviewreihe im Theater am Goetheplatz. Das ist keine Kampfansage, sondern ein Spiel mit der selbsterklärten inneren Größe des Formats. Für Kämpfe gibt es auch keine Veranlassung, denn das „Unendliche Gespräch“ hat sich längst etabliert. Seit November 2012 empfängt Kade monatlich einen Gast im Foyer des Kleinen Hauses – am Mittwoch zum vierzehnten Mal.

Dann wird die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken aus München kommen und über ihr Buch „Angezogen. Das Geheimnis der Mode“ sprechen. Sie schreibe über Kleidung wie über Gedichte, beschreibt sie ihre Arbeit. Ein theaternahes Thema also, und bei solchen ist Kade am besten: Der Dramaturg spricht selbst als Künstler, nicht als neutraler Fragender oder Stichwortgeber für die Werbetour seiner publizierenden Gäste.

So im letzten Monat: Armen Avanessian trat als Sprecher der spekulativen Realisten an, die „erste wirklich neue linke Bewegung des Jahrtausends“ auszurufen. Dass man seine Bücher auch kaufen könne, hat er viermal gesagt, es selbst als einen „blöden Running Gag“ zu ironisieren versucht. Kade hat ihn gewähren lassen. Er lässt seine Gäste nie auflaufen und nimmt sie auch kaum in die Zange. Stattdessen erzählt er von eigenen Erfahrungen am Theater und eröffnet ästhetische Zugänge zu den Themen.

Avanessian hat sich dafür nicht interessiert und konnte auch auf Fragen aus dem Publikum nur mit den Namen der angesagten jungen Autoren des spekulativen Realismus antworten. Er nennt sie „die Boys“ und spricht kaum über ihre Texte. Es ist schon besser gelaufen. Wie vertraulich die Gespräche werden, liegt auch am Aufbau der Bühne, die Regisseurin Anne Sophie Domenz für jede Ausgabe gestaltet. Oft sitzen die Sprechenden nebeneinander, manchmal sind sie konfrontativer aufgestellt.

Bei Avanessian schwebten goldene Sterne durch den Raum: Vielleicht ein Verweis auf die selbsternannten „Stars“ der Philosophie, in jedem Fall aber ein gerne genutztes Spielzeug für Zuschauer, die mit dem Gast nichts anfangen konnten, aber trotzdem Freude an dem zweistündigen Abend hatten.

Mittwoch steht nun Barbara Vinkens These auf dem Programm: „Es gibt nur weibliche Mode, keine für Männer.“ Keine Welterklärungen und Manifeste also, sondern eine inhaltliche Position, über die sich streiten lässt. Wo das endet, ist genauso offen: Die Gedanken ohne festes Ziel wuchern zu lassen, ist das erklärte Vorhaben des „Unendlichen Gesprächs“. Formuliert hat das Maurice Blanchot in seiner Essaysammlung „L’entretien infini“, die der Reihe ihren Namen gab.

Die romantische Idee reibt sich gelegentlich an den Verkaufsinteressen ihrer Akteure, aber oft mäandert das Gespräch tatsächlich zu Größerem. Tarun Kade treibt das ohne Druck voran und orchestriert spontan die bisherigen Stimmen: Friedrich von Borries oder Dietmar Dath, ehemalige Gäste der Reihe, sind nicht verhallt, sondern bleiben als oft zitierte Stichwortgeber dabei.

Und da liegt die Wahrheit in Kades ironischer Bemerkung über das ewige Weitergehen: Das Format ist mehr als ein Forum seiner prominenten Gäste. Und es profitiert von einem Interviewer, der sich angenehm zurücknimmt und höchstens dann eingreift, wenn jemand Gefahr läuft, einen Ausweg aus dem Umherirren zu finden.

■ Mittwoch, 12. März, 20 Uhr, Theater am Goetheplatz, Kleines Haus