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Archiv-Artikel

Rimphoffs Ängste

DRACHEN-KÖNIG Hexen anzuzeigen war für Geistliche kein Karrierehemmnis

Von BES

Wo der Herr Rimphoff war, da waren die Hexen nah. Er spürte es, „wie wir allenthalben umbringet seyn mit Teuffeln/die alle Augenblick auf uns ziehlen und schiessen“, wie er in „Der Drachen-Koenig“ erläutert, einem 1647 vorgelegten Fachbuch über den „grawsamen/hochvermaledeyeten Hexen und Zauber Teuffels“. Vielleicht mag er, als ihn neun Jahre vorher der Ruf zum Ersten Domprediger von Verden ereilte, kurz gedacht haben, nun sei er endlich im Stand des Friedens und der Sicherheit eingekehrt. Aber nein: Das Unkraut sprießt erneut – gerade als er einen seelsorgerischen Besuch bei der Wobbecke Warnke macht.

Dieses Weib! Es hatte die vater- und mutterlose Garbersche zu sich genommen, die kleine Anna. Nach diesem „zarten Maegdelein“ muss er wohl sehen, der Herr Superintendent, wie es sich macht, „im siebenden Jahr ires Alters“. Und dann nimmt er’s auf den Schoß, und fragt, ob ihr denn auch die Warnkesche das Beten recht gelehrt – und was muss Rimphoff hören? Dies Weib hat ihr das „Pater Noster“ in der Weise gelehrt, „wie dann alle Hexen es also beten muessen“ – Gott verzeihe ihm dass er’s schreibet!: „Vatter Unser/der du bist in der Hoelle“! Und noch mehr: „Auf einem Fenchell-Stengell/Sassen vier und viertzig Engell“ – Oha!

Rimphoff reagiert. Er lässt die Wobbecke Warneke inhaftieren.

Er ahnt wohl, dass es dabei nicht bleibt: Als er ab 1628 zehn Jahre Pastor in Wiedensahl war, einem kleinen, dem Loccumer Stiftsgericht unterstellten Nest, hatte es allein dort 14 Zaubersche gegeben, davon zwei Männer.

In Verden entwickeln sich die Dinge ähnlich. Die Warneke gesteht, besagt – also: nennt –, bevor sie auf der Folter krepiert, vier weitere Frauen. Die aber besagen, als hätten sie’s verabredet, auf der Folter Familien aus der schicken Norderstadt – Ratsherren, ihre Töchter und ihre Frauen. Die Elite hat Rechtsbeistände, Geld – und Beziehungen: Das verlängert die Verfahren und sorgt für Aufsehen.

Der Feldprediger Johann Seiffert lässt in Bremen eine deutsche Übersetzung der „Cautio Criminalis“, Friedrich von Spees scharfer Kritik an den Hexenprozessen und dem System der Folter, drucken – mit Hervorhebung von Passagen, die zum Verdener Geschehen passen. Er widmet sie der Landesherrin, Königin Christine I. von Schweden.

Rimphoff tobt: Die letzten 150 Seiten seines Wochen später erscheinenden „Drachen-Königs“ ergeht er sich in Beschimpfungen des „ehrgeizigen Welt-Hans“ Seiffert, den er des Teufels getreuen Sohn nennt. Königin Christine aber verbietet 1649 die Hexenprozesse, beendet so das angeschwollene Rimphoff-Verfahren. Fünf der 14 Angeklagten kommen frei. Und Rimphoff? Wird befördert, zum königlichen Konsistorialrat.  BES