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Archiv-Artikel

Bevölkerungsschwund – „toll, endlich Platz“

Der Hamburger HWWI-Chef Straubhaar begeistert Bremer Sparkassen-Publikum mit Thesen zur schrumpfenden Gesellschaft: Nur wer die demografischen Tatsachen anerkennt, kann sich darauf einstellen und die Chancen nutzen

Von kawe

Ein Gespenst geht um in Europa: die schrumpfende und alternde Gesellschaft. Die Schlauen sterben zuerst aus, dann kommt der „Krieg der Generationen“. Diverse Bücher gibt es darüber – und das provoziert Thomas Straubhaar, den Leiter des Hamburger Weltwirtschafts-Institutes (HWWI), zu der Gegenthese: Wenn man die demografischen Prognosen als Herausforderung nehme, könne man über die Chancen reden. Und politische Fehlsteuerung vermeiden.

Völlig falsch etwa sei die Vorstellung vom allgemeinen Rückgang der Bevölkerung. In Hamburg und Bremen werde es kaum merkliche Veränderungen geben. Die westdeutschen Zentren seien „Gewinner“ im Schrumpfungsprozess, umso dramatischer sähen die Prognosen für den Osten aus: Sieben Prozent jedes Jahrganges von 20-Jährigen wandern ab, vor allem also die Jüngeren und Leistungsstarken. Daran ändern auch die 80 Milliarden Euro nichts, die Deutschland jedes Jahr in den Osten pumpt. Die Idee der „Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse“, so formuliert Straubhaar, sei eine „Illusion“, eine Lebenslüge.

Was tun? Zum Beispiel „Humankapital“ nicht mit 65 Jahren „abschreiben“. Ältere Menschen seien körperlich nicht mehr so fit, hätten dafür mehr Erfahrung. „Seniorenuniversitäten“ müssten lebenslanges Lernen ermöglichen. Altengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze sei das Stichwort. Die Bahn sollte vielleicht etwas weniger schnell, dafür pünktlich ankommen – „altengerechter“ Umbau.

Weniger Menschen in Deutschland? „Toll – endlich mehr Platz“, sagt Straubhaar. Weniger Studierende an den Unis? Das kann mehr Qualität der Ausbildung bedeuten. „Frühkindliche Einschulung“ sei geboten, kein Kind mit Migrationshintergrund dürfe ohne Deutschkenntnisse in die Schule kommen.

Dagegen müsse die Politik aufhören mit unsinnigen Steuerungsversuchen. Wer das Lohngefüge so gestaltet, dass ältere Menschen mehr Lohn bekommen als leistungsfähige Jüngere, der vergrößert nur die Arbeitslosigkeit der Älteren.

Wegen seiner Ansichten hat die Gruppe „fight 4 revolution crews“ kürzlich Straubhaars Mitsubishi angezündet – er sei „Stichwortgeber und Wegweiser für Angriffe aufs Proletariat“, heißt es in dem Bekennerschreiben. In der Konferenzhalle der Bremer Sparkasse kamen seine Thesen hingegen gut an, insbesondere der Tipp, Immobilien in ländlichen Regionen wegen drohenden Wertverlustes schnellstens zu verkaufen. kawe