Versprechen einer Weltoffenheit

HUMBOLDTS REISETAGEBÜCHER

Eine Sprache allein hat Humboldt nicht gereicht, um die Welt zu erfassen

Er ist einer der wenigen Entdecker, der auch von den Nachfahren der Entdeckten geschätzt wird: Alexander von Humboldt, der 1799 bis 1804 Südamerika bereiste. In Ländern wie Venezuela oder Mexiko hat er den Ruf eines Forschers, der mit seinem Wissen den Ländern an der Schwelle zur Unabhängigkeit half, ihre eigene Geschichte zu finden. Kein Wunder, dass deshalb auch dort ein großes Interesse an seinen Reisetagebüchern bestand, 4.000 eng beschriebenen und mit vielen Zeichnungen auch sehr schön gestalteten Seiten. Deshalb zitterte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu Recht, als das Konvolut von Humboldts Erben über einen Londoner Makler zum Verkauf angeboten wurde. Dass sie im Dezember des vergangenen Jahres den Zuschlag erhielten und die Tagebücher für zwölf Millionen Euro, von öffentlichen und privaten Geldgebern finanziert, erwerben konnten, wurde am Dienstag mit einem Festakt in der Staatsbibliothek gefeiert. Dort sollen die Tagebücher verbleiben.

Zu den Festtagsrednern gehörten die Kulturstaatsministerin Monika Grütters, Klaus Wowereit und Hermann Parzinger, Präsident der Preußen-Stiftung. Sie feierten damit auch den Namensgeber des Humboldtforums. Und konnten damit für einen glücklichen Moment die Zweifel verdrängen, ob dieser Ort überhaupt das Versprechen der Weltoffenheit einlösen kann, das im Namen Humboldt steckt. Die neun ledergebundenen Hefte seien „so etwas wie die ‚SIM-Karte‘ für das Humboldtforum“, sagte Parzinger.

Zu Humboldts Lebzeiten vereinnahmten ihn die Preußen gerne als Preußen, während Frankreich sein großes Werk, für das er sich nach der Amerikareise in Paris niederließ, um die vielen gesammelten Erkenntnisse der Kulturgeschichte und der Naturwissenschaften auszuwerten, gerne unter die französischen Leistungen rechnete. Die Tagebucheintragungen selbst sind mehrsprachig, deutsch, französisch, spanisch, lateinisch, auch indigene Ausdrücke tauchen auf. Eine Sprache allein habe Humboldt eben nicht gereicht, um die Welt zu erfassen, so interpretiert das Ottmar Ette, der die Reisetagebücher an der Uni Potsdam erforscht. Grade deshalb sei Humboldts Forschungsansatz so modern gewesen und sein Tagebuch ein so wichtiges Dokument.

Als Schatz gelten die Hefte aber aus noch einem Grund: Die von Alexander von Humboldt publizierten Reiseberichte schilderten nur ein Drittel seiner Reise und umfassen damit längst nicht alle gesammelten Daten. Das triggert natürlich die Forschung. KATRIN BETTINA MÜLLER