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Archiv-Artikel

Nur wer nichts kostet, darf bleiben

Mit seinem Vorschlag zur Bleiberechtsregelung will Niedersachsens Innenminister Schünemann die Gruppe der Berechtigten möglichst klein halten. Als „Ausgleich“ fordert er erleichterte Abschiebungen und weniger Sozialhilfe für Asylberechtigte

Von Johannes Himmelreich

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat eine detaillierte Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge mit schulpflichtigen Kindern skizziert. „Das wird die Kompromisslinie der Innenministerkonferenz sein“, sagt sein Sprecher und scheint sich sicher. Schünemann auf Kompromisskurs? Zum Wochenende hin schien der CDU-Mann einen Sinneswandel vollzogen zu haben: Lehnte er bisher eine Bleiberechtsregelung für lange in Deutschland lebende Ausländer kategorisch ab, ist er jetzt selbst ein Befürworter einer solchen – seiner eigenen.

Die Zahl, der seit Jahren geduldeten, aber ausreisepflichtigen, Ausländer sei nicht im erwarteten Umfang zurückgegangen, heißt es in dem zwölfseitigen Vorschlag, der der taz vorliegt. Aus diesem Personenkreis soll manchen nun ein „dauerhaftes Aufenthaltsrecht“ gewährt werden. So nennt es der Vorschlag Schünemanns. Tatsächlich soll die so genannte „dauerhafte Aufenthaltserlaubnis“ nicht dauerhaft sein, sondern müsste alle drei Jahre erneuert werden. Wenn dann erneut alle Kriterien vom Antragsteller erfüllt werden. Und Kriterien und Voraussetzungen nehmen in Schünemanns Konzept den meisten Platz ein.

Allen voran müssen die in Frage kommenden Personen selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen – und den aller Angehörigen, die ebenfalls vom Schünemann-Konzept profitieren könnten, zum Beispiel Ehegatten, in Deutschland geborene und minderjährig eingereiste Kinder und volljährige Kinder mit guter Integrationsprognose.

Auch Menschen, die erwerbsunfähig sind und sich selbst keinen Lebensunterhalt sichern können, könnten als Angehörige einer Familie mit Kindern eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Allerdings nur, wenn ihr Lebensunterhalt, ihre Betreuung und Pflege anderweitig als von der öffentlichen Hand gesichert ist. Dazu müssten die Betroffenen eine Erklärung abgeben, in der sie auf den Bezug von Leistungen aus öffentlichen Mitteln verzichten.

Das zweite Kriterium betrifft das Beschäftigungsverhältnis: Es muss ein ungekündigtes, sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis sein. Wer keine Arbeit hat, soll eine letztmalige Duldung von sechs Monaten erhalten, um sich einen Job zu suchen. Um die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zu erleichtern, fordert Schünemann in seinem Vorschlag den Arbeitsminister auf, in diesem Fall die so genannte Vorrangsprüfung der Arbeitsagenturen auszusetzen, die den Vorrang deutscher Staatsbürger auf Arbeitsplätze gegenüber Ausländern absichert. Wenn alles klappt, wird eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr ausgesprochen, „um sicher zu gehen, dass er die Arbeit dann noch hat und nicht nur zu einem Stichtag“, so der Sprecher.

Von der Schünemann-Regelung ausgeschlossen sind alle, die straffällig geworden sind oder den Staat hintergangen haben, zum Beispiel mit falschen Angaben bei der Einreise oder beim Asylantrag.

Allein, dass das Kind einer Familie eingeschult ist, reicht also noch nicht für eine verlängerte Aufenthaltsgenehmigung. Auch einen Stichtag, wie ihn das von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Gespräch gebrachte Modell der „Altfallregelung“ vorsieht, gibt es bei Schünemann nicht. Stattdessen stellt der Niedersachse im Austausch Forderungen: Die Aufstockung der Sozialhilfe für ausländische Staatsbürger mit anerkanntem Asylstatus auf den vollen Regelsatz nach einer ersten Bezugszeit von 36 Monaten soll gestrichen werden. Außerdem soll künftig für eine Abschiebung eine ärztliche Bescheinigung zur Reisefähigkeit nicht mehr erforderlich sein. Diese Regelung führe in der Praxis zu unlösbaren Schwierigkeiten, so Schünemann. Er fordert eine Bescheinigung der Reiseunfähigkeit, falls diese vorliegt.

Erfreut über diesen Vorschlag ist der Koalitionspartner FDP. „Wir sind schon froh, dass es überhaupt eine Bleiberechtsregelung gibt“, äußerte sich Philipp Rösler, Vorsitzender der FDP Niedersachsen gegenüber der taz. In einer Pressemeldung lobte er die „menschliche Lösung“. Dass die vietnamesische Familie Nguyen, die abgeschoben werden sollte und nun Kirchenasyl gewährt bekam, von Schünemanns Regelung nicht profitieren würde, bedauerte Rösler. „Das sind zurückliegende Verfehlungen beim Asylverfahren“, so der Vorsitzende. Hier Gnade zu zeigen sei nicht die Position des niedersächsischen Innenministers. Das sei der FDP bewusst, doch man hoffe auf die Eingaben „anderer Innenminister“.

Die sind Mitte November gefragt, wenn der Vorschlag aus Niedersachsen bei der Innenministerkonferenz in Nürnberg zur Diskussion steht.