Wieder 500.000 ohne Papiere in Spanien

Täglich landen hunderte Flüchtlinge aus Afrika auf den Kanaren. Ein EU-Sondergipfel soll sich des Themas annehmen

MADRID taz ■ Es gibt keinen Rekord, der nicht überboten werden könnte. Am vergangenen Wochenende gelangten so viele Flüchtlinge wie nie auf die Kanarischen Inseln. Die Seerettung zählte in nur 48 Stunden 1.433 Immigranten in Fischerbooten. Das ist ein Drittel dessen, was die Behörden im gesamten Jahr 2005 registrierten. Ein Flüchtling wurde tot geborgen.

Seit Jahresbeginn haben damit über 20.000 Menschen aus Schwarzafrika mit ihren cayucos – so der Name der überdimensionalen hölzernen Fischerboote – den europäischen Außenposten im Atlantik erreicht. Das kanarische Parlament kam gestern zu einer Sondersitzung zusammen. Inselpräsident Adán Martín verlangte von Madrid und Brüssel einmal mehr eine wirksame Abschottungspolitik. Denn die Kontrolle der Gewässer zwischen Mauretanien, dem Senegal und den Kanaren funktioniert nicht, und das, obwohl mittlerweile die europäische Grenzagentur Frontex die Zügel in der Hand hat.

Madrid sieht sich völlig überfordert. Deshalb soll das Problem europäisiert werden. Die stellvertretende Regierungschefin María Teresa Fernández de la Vega hat Ende vergangener Woche von der EU-Kommission mit Erfolg einen Sondergipfel zum Thema Immigration verlangt.

Das Treffen, zu dem die acht südlichen EU-Staaten geladen werden, soll noch diesen Monat in Madrid stattfinden. „Es liegt auf der Hand, dass einige EU-Mitglieder nicht das extreme Problem sehen, mit dem Spanien konfrontiert ist“, erklärte de la Vega.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Franco Frattini, sieht dies anders. Er sucht die Ursache für die Flüchtlingskrise in der Einwanderungspolitik Madrids. Spanien habe mit der Liberalisierung seiner Einwanderungspolitik den gegenwärtigen Flüchtlingsstrom aus Afrika selbst herbeigeführt. Die Entscheidung, Einwanderern ohne Aufenthaltserlaubnis Amnestie zu gewähren, ohne vorher das Problem der Schwarzarbeit in den Griff zu bekommen, habe den Flüchtlingsstrom aus Afrika zusätzlich angeheizt, sagte Frattini.

Trotz der Legalisierung im vergangenen Jahr leben in Spanien schon wieder 500.000 bis 700.000 „sin papeles“. Wie Spanien mit ihnen umgehen wird, ist derzeit jedoch völlig unklar. Im vergangenen Jahr wurden ganze 52.757 illegal im Land lebende Ausländer ausgewiesen. Nur 3,2 Prozent von ihnen wurden von den Kanaren in die Heimat zurückgeschickt.

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