Der neue Datenpool

AUS BERLIN ASTRID GEISLER

Nach jahrelangem Gezerre haben sich die Innenminister gestern auf die Schaffung einer zentralen Anti-Terror-Datei für Polizei und Geheimdienste geeinigt. Der auf einer etwa dreistündigen Sonderkonferenz in Berlin ausgehandelte Kompromiss sieht ein mehrstufiges System des Datenaustauschs vor – und damit eine Kombination aus den zuvor diskutierten Varianten von Volltext- und Index-Datei.

Wie viele Personen in der neuen Datei erfasst werden, wollte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht prognostizieren. Sowohl Unions- als auch SPD-Minister zeigten sich nach der Sitzung zufrieden mit dem Ergebnis. Über das vereinbarte Modell habe „völliges Einvernehmen“ bestanden, versicherte Schäuble, verfassungsrechtliche Bedenken seien durch den Kompromiss ausgeräumt. Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), die bis zuletzt vor verfassungsrechtlichen Hindernissen gewarnt hatte, halte die nun beschlossene Lösung für gangbar, versicherte Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU).

Nach dem gestern erzielten Kompromiss sollen die Sicherheitsbehörden künftig einen geringen Teil der gespeicherten Daten unmittelbar in der Datei einsehen können – was dem diskutierten Modell der Volltextdatei entspricht. Dabei handele es sich aber nur um einige „Grunddaten“, die zur Identifizierung der Person nötig seien wie Name oder Geburtsdatum, erklärte Schäuble.

Weiterführende Informationen über Terrorverdächtige werden verdeckt in dem System gespeichert und nur auf Anfrage freigeschaltet – vorausgesetzt, die Behörde kann belegen, dass sie die Daten für Ermittlungen im Rahmen der Terrorabwehr braucht. In dem verdeckten Datensatz sollen umfangreiche Informationen zu Verdächtigen und Kontaktpersonen gehortet werden – beispielsweise über Waffenbesitz, Bankverbindungen, Beruf, Familienstand, Religionszugehörigkeit oder Auslandsreisen.

Die Freigabe all dieser Daten soll automatisiert erfolgen. Sobald beispielsweise das bayerische LKA eine Anfrage zu einem Verdächtigen startet, erfährt es sofort, welche anderen Behörden ebenfalls Material zu dieser Person gespeichert haben. Gleichzeitig werden alle betroffenen Behörden über die Anfrage aus Bayern informiert; sie sind dann verpflichtet, ihre hinterlegten Daten freizuschalten – ohne Ermessensspielraum, wie Bouffier erläuterte: „Was drin ist, muss dann ausgeworfen werden.“ Nur in besonderen Gefahrensituationen soll der komplette Datensatz ad hoc freigeschaltet werden.

Anders als von Gegnern der Zentraldatei befürchtet, wird dem vereinbarten Kompromiss zufolge nicht jeder „Dorfpolizist“ zu dem Datenpool Zugang erhalten. In den zugriffsberechtigten Stellen dürften nur die Behördenchefs oder die von ihnen beauftragte Fachleute mit der Datei hantieren,versicherte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU).

Den Geheimdiensten, die um ihren Quellenschutz gefürchtet hatten, sprachen die Minister einen großen Ermessenspielraum zu: Sie dürfen „sensible“ Informationen auch künftig anderen Behörden bewusst vorenthalten.

Beckstein äußerte sich gestern optimistisch, dass alle an dem Projekt beteiligten Behörden schon bald mit „großer Bereitschaft“ ihre Daten austauschen werden. Seine Begründung: „Wenn künftig etwas passiert und es kommt heraus, dass eine Behörde wichtige Informationen nicht weitergegeben hat, dann ist der Teufel los.“

Geht es nach den 17 Innenministern, dann wird die Anti-Terror-Datei in einigen Monaten funktionsbereit sein. Schäuble kündigte an, das Kabinett werde noch im September den Gesetzentwurf beschließen und an den Bundestag weiterreichen. „Der internationale Terrorismus“, warnte der CDU-Minister, „lässt uns womöglich nicht lange Zeit.“

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