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Archiv-Artikel

„Wir sind für etwas“

LITERATUR Die Erneuerbaren Lesetage beginnen mit einem Prolog zum dritten Fukushima-Jahrestag

Frank Otto

■ 57, Medienunternehmer, Sprecher des Vereins „Kultur für alle“, der seit 2011 das Festival „Lesen ohne Atomstrom“ veranstaltet.

taz: Herr Otto, Vattenfall hat mittlerweile seine Lesetage eingestellt. Verbuchen Sie dies als Erfolg?

Frank Otto: Dutzende renommierte Schriftsteller und Künstler haben öffentlich ihre Begeisterung zum Ausdruck gebracht. Hamburg ist eine Kulturstadt, und dass uns der Kulturmissbrauch durch das Greenwashing jetzt erspart bleibt, ist großartig. Grundsätzlich ist es nicht erstrebenswert, dass eine Lesereihe eingestellt wird. Aber dieser Fall ist anders.

Erwarten Sie einen Ansturm von Besuchern?

Wir waren die letzten Jahre schon zu hundert Prozent ausgelastet. Es gab immer mehr Interessierte, als überhaupt eingelassen werden konnten. Programmatisch waren die „Vattenfall-Lesetage“ zu keinem Zeitpunkt eine Konkurrenz. Wie schon Elke Heidenreich gesagt hat: „Das Programm von ‚Lesen ohne Atomstrom‘ ist seit Jahren viel besser. Schön, dass Vattenfall das jetzt eingesehen hat.“

Wie lange halten Sie noch durch, jetzt wo der Gegner aufgegeben hat?

Wir brauchen keinen „Gegner“. Wir sind für etwas, unter anderem den beschleunigten Atomausstieg. „Lesen ohne Atomstrom“ ist ein Projekt von mehr als 150 namhaften Autoren und Künstlern, die gemeinsam mit engagierten Bürgern und den Theatern dieser Stadt ein exklusives Literaturangebot für Hamburg ermöglichen. Niemand muss Eintritt zahlen – das ist Kultur für alle.

Das Literaturfestival findet also weiterhin statt?

Es ist auf Dauer angelegt, wie der Atomausstieg. „Lesen ohne Atomstrom“ ist unabhängig – und wird weiter genau hinschauen, mit wem sich die Kulturpolitik einlässt. Der Atomkonzern RWE zahlt, zum Beispiel viel Geld für das „Harbour Front“-Festival, um damit sein Image aufzupolieren. Und die Kulturbehörde legt sogar noch einen Millionenbetrag obendrauf. Wir sorgen weiterhin dafür, dass die enge Allianz der Hamburger Kulturbehörde mit der Atomindustrie öffentlich diskutiert wird. INTERVIEW: ANNA MARIA VIDAL

Konzertane Lesung „Mit Sturm und Klang für die Energiewende“, der Prolog der Erneuerbaren Lesetage: 19 Uhr, Hamburger Kammerspiele