ORTSTERMIN: JUTTA DITFURTH UND OLE VON BEUST ERINNERN AN EINE GEMEINSAME VORFAHRIN
: Von Wahlverwandtschaften

Sein Stammbaum habe ihn bisher nicht interessiert, beteuert Ole von Beust, und er nie das „Deutsche Adelsblatt“ gelesen

Beim „Du“ sind sie bereits, als sie Dienstagnachmittag das „Polittbüro“ am Hamburger Steindamm betreten – man ist schließlich verwandt, wenn auch recht weitläufig. Und doch sind sich die Jutta und der Ole erst eine Stunde zuvor begegnet, haben beim Türken um die Ecke gespeist und geplauscht, ehe sie nun gemeinsam vor die Kameras treten.

Sie, Jutta Ditfurth, die Ex-Grüne, die ging, als ihre Partei regierungswillig wurde – und die es als neue Stufe des Verrats empfindet, dass ihr früherer Laden inzwischen sogar mit den Schwarzen regiert. Er, Ole von Beust, der Ex-Bürgermeister, der an eben dieser Konstellation ein gerütteltes Maß an Mitschuld trägt, gilt er doch als Baumeister von Schwarz-Grün in Hamburg.

Doch deswegen sind sie heute nicht hier. Es gilt Ditfurths neu aufgelegten Roman „Die Himmelsstürmerin“ zu präsentieren, und als die Autorin ihren Gesprächspartner gefragt hat, ob er sie dabei unterstützt, da soll er, nachdem er das Buch zur Hälfte gelesen hatte, mit Freude zugesagt haben. Schließlich dreht sich der halb historische, halb fiktive Stoff um die Freiin Gertrud Elisabeth von Beust – Ditfurths Urgroßmutter. Und Gertruds Zwillingsschwester Armgart wiederum ist die Urgroßmutter des vormaligen Bürgermeisters. Es fließt mithin dasselbe Blut in den Adern der beiden Politstars a. D., wenn auch inzwischen recht verdünnt.

Vor der Präsentation muss von Beust dann aber erst mal Fragen beantworten, schließlich füttert seine Beziehung zum 19-jährigen Medizinstudenten Lukas Förster seit Tagen die lokalen Klatschspalten. Nein, als „nicht gehässig“ habe er die Berichterstattung empfunden, und jene, die sich das Maul über ihn zerreißen, kontert er auf platt: „Wenn se nich mehr künnt, se säch is en Sünd!“ Joschka Fischer, schlägt von Beust den Bogen zurück zu den Grünen, habe „das ja auch schon hinter sich“.

Locker rezensiert er dann im offiziellen Teil die „Himmelsstürmerin“, und es scheint ihm sichtbar Spaß zu machen, keine Haushaltslöcher mehr stopfen zu müssen. Es ist wohl einer dieser Lusttermine, die er jetzt wahrnehmen kann, ohne irgendwen fragen zu müssen, ob sich das denn auch mit der Würde seines Amtes verträgt. „Schon vor einem Jahr“, verrät von Beust, hätte er diese Präsentation gerne gemacht. Nur gedurft – das sagt er allerdings nicht – hätte er wohl kaum.

Ditfurths Roman über die deutsche Adelige, die auf die Barrikaden der Pariser Commune geht, gefällt von Beust, weil hier „die Gegensätze der Realität des 19. Jahrhunderts aufeinanderprallen“, sagt er, der Stoff „die Bewegung in der Gesellschaft wiedergibt“. Die Bewegung – vielleicht eher: Beweglichkeit – des angehenden 21. Jahrhunderts wird auch ein wenig spürbar, wenn hier die radikal linke Ex-Grüne und der Mann, der einen wie Ronald Schill zum Innensenator machte, einträchtig über gemeinsame Ahnen sprechen.

Ja, es seien „auch familiäre Gründe“ gewesen, die ihn in diesen Roman hineingezogen hätten, bekennt von Beust, dabei habe ihn sein Stammbaum bislang nicht besonders interessiert und er selbst, beteuert er, „nie das Deutsche Adelsblatt gelesen“. Noch etwas, das ihn mit Jutta Ditfurth verbinden dürfte. Die liest an gleicher Stelle noch mal aus der „Himmelsstürmerin“: am Freitag ab 20 Uhr – allerdings ohne den entfernten Cousin. MAC

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