: „Viele Frauen stehen sich selbst im Weg“
Trotz Eva-Herman-Hype: Wir brauchen keinen neuen Feminismus, sagt die Wirtschaftsjournalistin Barbara Bierach. Deutsche Frauen müssen sich Führungspositionen erarbeiten – so, wie sie es in anderen Ländern längst getan haben
taz: Frau Bierach, was sagt Ihnen der Name „Carina“?
Barbara Bierach: Der Titel eines Frauenmagazins?
Fast – so heißt die neue Freundin von Dieter Bohlen …
Ja, von ihr habe ich gehört, sie ist 27 Jahre jünger als er, nicht wahr?
Und sie gibt lieber die „Frau von …“ als zu studieren. Ein exemplarischer Fall für ihre These, dass in Deutschland bei Frauen etwas schief läuft?
Ich glaube, es ist für so eine junge Frau einfach glamourös, Gegenstand der Medienöffentlichkeit zu sein. Die wichtigere Frage ist doch: Warum nutzen Akademikerinnen mit 35 ihr Ticket in die Welt der Entscheidungen nicht und ziehen sich ins Privatleben zurück – gerade wenn es anfängt, beruflich interessant zu werden?
Haben Sie eine Erklärung?
Politik und Wirtschaft interessiert viele Frauen nicht, ebenso wenig wie Technik und Innovation. Dazu kommt eine gewisse Konfliktscheue, eine unterentwickelte Lust am Diskurs.
Was wollen wir mit diesen Frauen in Führungsetagen?
Ich bin keine Moralistin, obwohl ich glaube, dass Stellenvergabe unter dem Aspekt der Gleichheit sehr wichtig ist. Mein Ansatz ist ein anderer: Aus ökonomischer Perspektive ist es schlichtweg dumm, wenn eine Volkswirtschaft freiwillig auf 50 Prozent ihres Talentepools verzichtet. Und das, obwohl Nachwuchskräfte fehlen, obwohl Unternehmen mit Frauen in Vorständen wirtschaftlich erfolgreicher sind.
Demnach wäre das spezifisch deutsche Problem, dass die Frauenfrage ideologisch diskutiert wird?
Ich bin Alice Schwarzer für ihre Arbeit unendlich dankbar. Trotzdem haben sich die Feministinnen hier nicht wirklich weiterentwickelt. Frauen wollen heute nicht mehr einer „Schwanz ab“-Rhetorik folgen, im Gegenteil: Wir lieben Männer und wollen mit ihnen leben.
Hängen Sie auch der These an, dass wir einen neuen Feminismus brauchen?
Was wir auf jeden Fall nicht brauchen, ist eine Eva Herman, die sagt, Frauen sollen öfter die Klappe halten.
Interessant ist ja, dass eine der von Ihnen interviewten Topmanagerinnen auch der Meinung war, dass Frauen nicht mehr glauben sollten, alles mitbestimmen zu müssen …
Ja, aber sie meinte damit den weiblichen Hang zu Perfektion und Kontrolle. Frauen müssen lernen zu delegieren, nicht immer alles gleichzeitig selbst machen zu wollen. Daran schließt das eigentliche Problem an: Die Vereinbarkeitsdebatte wird automatisch als Frauenthema diskutiert. Das ist doch merkwürdig, schließlich haben die meisten Kinder auch Väter. Kind und Karriere ist kein Frauenthema, sondern ein Menschenthema.
Mit dem Ergebnis, dass Frauen weder Kinder noch Karriere kriegen. Woran liegt das?
Ein Problem ist mit Sicherheit diese leidige deutsche Mutterkreuzphilosophie. Viele Mütter stilisieren sich zum letzten Hort der Wärme in einer immer kälter werdenden globalisierten Welt – das gibt es woanders nicht.
Wie kann man sich davon lösen? Kulturelle Prägungen sind ja nicht einfach über Bord zu werfen.
Es muss eine Menge passieren in der Politik, den Unternehmen und vor allem in den Köpfen der Frauen. Eine der Interviewpartnerinnen hat das schön auf den Punkt gebracht: Sie hat sich nach nur acht Monaten Babypause wieder einen Job gesucht, weil sie zu Hause unglücklich war. Heute ist sie die Vorstandsvorsitzende einer der größten Werbeagenturen der Welt und kennt kein Schuldgefühl mehr. Sie findet: Wenn sie glücklich ist, geht es auch der Familie besser. Der Rat also wäre: sich von Vorstellungen der Schwiegermutter lösen, was eine gute Mutter ist, und dem eigenen Instinkt trauen.
Klingt nach Bilderbuch …
Selbstverständlich muss man in der Wirtschaft auch Mut haben und Konflikte aushalten können. Viele Frauen scheitern auch, weil sie sich sofort auf das Opferticket zurückziehen, sich sagen: Ich werde hier gemobbt, weil ich weiblich bin. Das stimmt nicht immer, auch Männer erleben Zurücksetzung und Intrigen im Job. Wir sollten uns endlich von dieser Geschlechterschere im Kopf verabschieden. Vor allem würde ich uns Frauen öfter eine gewisse Dickfelligkeit wünschen, wie sie normalerweise nur Männer an den Tag legen.
Um dann als männlicher als ein Mann verschrien zu sein?
Dieses Vorurteil ist auch so eine Merkwürdigkeit in Deutschland: dass Erfolg und Macht uns männlich machen. Und andersherum, wenn eine Frau erfolgreich ist, heißt es: Na, die war eben zu zickig für ein glückliches Privatleben.
Ist das wirklich deutsch?
Zumindest erlebe ich die Frauen im Ausland gelassener. Deshalb glaube ich auch nicht an eine Weltverschwörung der Männer gegen Frauen. Viele Damen setzen sich gegenseitig erfolgreicher schachmatt, als Männer das je könnten oder wollten. Männer sind in beruflicher Hinsicht professioneller: Wenn jemand unsympathisch, aber nützlich ist, dann arbeitet man trotzdem zusammen. Sie sind utilitaristischer im Umgang mit Menschen.
Klingt auch nicht wirklich erstrebenswert …
Natürlich kann Macht auch missbraucht werden. Männer instrumentalisieren Menschen auch eher. Andererseits stehen sich viele Frauen mit ihren Emotionen selbst im Weg und sehen sich in Deutschland immer noch eher in den weichen, sozialen und Dienstleistungsjobs. Dabei fahren sie, wie internationale Erfahrungen zeigen, in leistungsbezogenen Jobs oft sehr viel besser. Also im Vertrieb, als Anwältin oder als Steuerberaterin.
Weshalb haben Sie sich denn für Wirtschaftsjournalismus entschieden?
Als ich anfing, Politik zu studieren, wollte jeder Geisteswissenschaftler Journalist werden, am liebsten im Feuilleton der Süddeutschen. Ich dachte nur: Das hält die Branche nicht aus. Deshalb habe ich zusätzlich zu Politik Volkswirtschaftslehre studiert, bei Forbes und Focus volontiert. Meinen ersten Job bei der Wirtschaftswoche habe ich mir mit einem Anruf beim Chefredakteur ermöglicht.
Ist das die Strategie: offensiv vorgehen?
Klar, was kann man denn schon verlieren?
Naja, den Job?
Erst mal muss man ihn doch kriegen. Frauen tendieren zu Selbstzweifeln. Ein Mann hingegen sichert erst mal das Terrain und sucht dann nach der Lösung. Vielleicht ja sogar mit Hilfe von anderen KollegInnen. Es gibt immer die Möglichkeit, Netzwerke aufzubauen.
Was ja auch in Bezug auf Frauen als Problem diskutiert wird: fehlende Netzwerke.
Aber wieso sollte ich denn ausgerechnet nur mit Frauen netzwerken? Um wieder nur zu glucken, anstatt nach Leuten zu suchen, die mich voranbringen, die wirklich etwas zu sagen haben? Das sind oft Männer, aber so what?!
Man muss die Ökonomie immer mitdenken. Gleichheit und Toleranz haben einen hohen Wert, aber wenn sie sich nicht rechnen oder wenn unqualifizierte Frauen an Quotenjobs scheitern, fällt es negativ auf alle zurück. Dann kriegen diejenigen Recht, die wie Eva Herman sagen, „Mädels, haltet schön die Klappe, sonst kriegt ihr Haarausfall!“
Schaden ihre Thesen denn?
Natürlich wird sie viele Fans haben, speziell unter den Frauen, die diesen Weibchenweg gewählt haben – aber ob das schadet? Also mir nicht.INTERVIEW: SUSANNE LANG