: Warschau spart sich Jugendaustausch
Die Regierung Kaczyński gibt Mittel für den Schüleraustausch des deutsch-polnischen Jugendwerkes nicht frei. Offizielle Begründung: Das Geld fehlt. Beteiligte Lehrer in beiden Ländern vermuten dahinter das gestörte Verhältnis zu Deutschland
AUS BERLIN CHRISTIAN PANSTER
Es soll der Höhepunkt des diesjährigen Schuljahres werden: In drei Wochen machen sich 18 Schüler des Gymnasiums im Loekamp aus dem nordrhein-westfälischen Marl auf den Weg nach Polen zum Schüleraustausch. Rybnik heißt das Ziel, eine Stadt mit knapp 150.000 Einwohnern unweit von Kattowitz. Doch die Vorfreude der Schüler auf beiden Seiten ist getrübt. Vor wenigen Tagen hat Johannes Habich, Lehrer in Marl, eine E-Mail von seinem polnischen Kollegen bekommen. Es gebe Probleme mit dem Geld, hieß es darin.
Das polnische Bildungsministerium gibt das Budget nicht frei, das für den Schüleraustausch vorgesehen und über das Deutsch-Polnische Jugendwerk verteilt wird. Die Begründung: Es ist kein Geld da. Bislang habe es so etwas noch nicht gegeben, sagt Silvia Schott vom Internationalen Bund, der zu den Trägern des Jugendwerks gehört. Habich und sein polnischer Lehrerkollege vermuten, dass in Wirklichkeit Warschaus gestörtes Verhältnis zu Deutschland der Grund für die Geldsperre ist.
Im schlimmsten Fall müssen Schulen aus Polen und Deutschland ihre Austauschprogramme absagen. Zumindest aber bekommen sie finanzielle Schwierigkeiten, weil die polnische Regierung die nötigen Fördergelder nicht locker macht. Das Gymnasium im Loekamp in Marl und das befreundete Gymnasium in Rybnik sind nur zwei Beispiele.
Seit sechs Jahren gibt es mittlerweile den Austausch zwischen beiden Schulen. „Und uns ist sehr daran gelegen, dass das auch zukünftig so weitergeht“, sagt Johannes Habich. „Der Austausch ist uns zur Herzensangelegenheit geworden und sehr wichtig für die Schüler beider Gymnasien.“ Habichs polnischer Kollege hatte die Anträge auf Förderung rechtzeitig an die zuständigen Stellen im Bildungsministerium versandt, so wie jedes Jahr. Von der plötzlichen Knauserigkeit der Regierung Kaczyński sind beide Lehrer enttäuscht.
Ohne die Zuschüsse aus dem polnischen Bildungsbudget wird der Besuch jetzt schwieriger als sonst. Normalerweise wird von dem Geld das Essen für die deutschen Schüler, Busfahrten oder Freizeitaktivitäten bezahlt. Im umgekehrten Besuchsfall sponsern die Deutschen ihre polnischen Gäste. Jetzt wollen beide Schulen gemeinsam das fehlende Geld auftreiben, damit der Schüleraustausch auch in diesem Jahr reibungslos abläuft. Für die Verständigung der Jugendlichen beider Länder sei ein Schüleraustausch sehr wichtig, sagt Johannes Habich.
Schüleraustauschprogramme haben eine lange Tradition. Insbesondere aus deutscher Sicht tragen sie zur Annäherung der jüngeren Generationen bei. Habichs polnischer Kollege ist sicher, dass der von der Regierung unter Ministerpräsident Kaczyński verordnete Sparkurs mit seiner Haltung gegenüber Deutschland zusammenhängt. Ostsee-Pipeline, Zentrum gegen Vertreibung, deutsche Unterstützung für die Schwulenparade in Warschau – das Verhältnis ist frostig. Polens Botschaft war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.