: Einmal Fritten und das Wort Gottes
PORTRÄT Michael Zielke war Unternehmer, bevor er zum Gläubigen wurde. Ein radikaler Bruch, der ihn von Freunden und Familie entfremdete. Die Geschichte eines modernen Missionars an der Fritteuse
Er habe sich geoutet, sagt Michael Zielke selbst, vor viereinhalb Jahren. Seither gehen seine alten Freunde auf Abstand zu ihm, Eltern und seine drei Brüder wandten sich von ihm ab, wollten davon nichts hören. „Es ist nicht so, dass meine Familie sagt, du hast jetzt Hausverbot“, sagt der 44-Jährige. „Aber man merkt, dass da eine Barriere zwischen uns ist.“
Am 1. März 2006 geschah das, was Zielke das größte Erlebnis seines Lebens nennt: „Es hört sich sehr klischeehaft an, aber an diesem Tag sprach Gott zu mir“, sagt Zielke. „Mein Sohn, der Sinn des Lebens bin ich, der Schöpfer, der Vater, der, der dich geschaffen hat.“ So spricht Zielke und es hört sich in der Tat klischeehaft an, befremdlich vielleicht, und ein wenig wie auswendig gelernt. Aber es ist ihm ernst – und weil Zurückhaltung seine Sache nicht sei, hielt Zielke mit seinem Glauben nicht hinterm Berg und trat in eine freie Pfingstgemeinde ein.
Auf dem Parkplatz einer Videothek im niedersächsischen Verden steht Zielkes kleine gelbe Imbissbude und davor eine Flagge mit einem Kreuz darauf. Überall in dem Büdchen finden sich Botschaften: „Ich nehme Dir all Deine Ängste“ steht da und „Gott hat das letzte Wort“. Auf dem Verkaufstresen liegt ein Neues Testament, rechts über dem Kühlschrank gehen Playmobil-Tiere paarweise in eine Arche.
Eine Stunde hat Zielke Zeit, seine Geschichte zu erzählen, dann muss er seine Frau Kerstin in der Bude ablösen. „Mein Mann redet viel, da müssen Sie aufpassen“, sagt sie noch – und wird Recht behalten. Nicht umsonst also nennen manche ihn den Pommes-Prediger.
Er sei nie religiös gewesen, erzählt Zielke. Das Übliche eben: evangelisch getauft, konfirmiert, vom Vater als Kind in den Gottesdienst mitgenommen, kirchlich getraut. Kurz nach der Wende ging er nach Salzwedel und machte sich als Autovermieter selbstständig. Bis vor acht Jahren war er Geschäftsführer und Mitgesellschafter eines großen Unternehmens für Verkaufsfahrzeuge, arbeitete nicht selten sieben Tage in der Woche, verdiente gutes Geld. Noch heute hört man ihm den langjährigen Unternehmer an: „Ich habe gern Lösungen gefunden. Vor allem nach der Prämisse: Was ist kaufmännisch die sinnvollste Entscheidung?“
Aber dann verlor er die Lust an seinem Job, gab seinen Posten auf und begann Fritten und Currywurst zu verkaufen. „Ich wollte aber nicht dauerhaft nach Pommes stinken und die Leute nach Ketchup oder Mayo fragen“, sagt Zielke. „Die Vision war, irgendwann mehrere Filialen zu haben.“ Doch dann kam dieser Tag.
Zielke winkt einem blonden Mann zu, der sich gerade eine Portion Pommes bestellt hat. „Hermann kommt von Anfang her. Als ich anfing von Jesus zu erzählen, meinte er: Sag mal, bist du nicht ganz dicht? Bist du in eine Sekte eingetreten?“ So dachten viele. Und blieben weg. Aber Zielke missionierte weiter, und aus der Pfingstgemeinde trat er wieder aus, „weil sie dort Gott für sich behalten“.
Mittlerweile läuft das Büdchen, die Kunden haben sich an ihn gewöhnt und an seine Botschaft. „Es ist ja auch nicht so, dass ich jeden vollquatsche, der sich Pommes rausholt“, sagt Zielke. „Aber wenn mich die Leute ansprechen, dann erzähle ich ihnen von Jesus.“ ILKA KREUTZRÄGER