Rasierter Rock, bikertauglich

Der Name klingt nach Bärten und Akustikgitarren, vielleicht sogar nach Banjo und spinnerten Ausflügen in Fantasywelten. Aber nein, Leon & The Folks sind keine weitere Weird-, Strange- oder Neofolkband, sondern vielmehr eine weitere, weitgehend rasierte Rockband. Okay, der Begriff Rock ist arg ungenau, aber ziemlich weit gefasst sehen das ja auch Leon & The Folks.

Denn das Berliner Quintett, das bereits seit 2008 existiert, offenbart ein erstaunlich breites Spektrum auf seinem neuen Album „Carry On“. Gleich der Eröffnungssong „Cash and Carry Less“ ist ein stimmungsvolles Stück Wüstenrock, durch das ein kühler Wind ein paar entwurzelte Büsche treibt. Mit „Honky Tonk“ beweisen sie, dass sie schön schwerfälligen 70es-Rock mit Biker-Potential ebenso beherrschen wie eine leichtfertig hingetupfte Sixtiesballade, die bei ihnen „Ikarus“ heißt. Fremd sind ihnen auch nicht atonale Anfälle, verquere Rhythmen und psychedelische Exkursionen. Trotzdem wirkt „Carry On“ wie aus einem Guss.

Leon & The Folks haben zwar schon zwei Alben herausgebracht, sind auf einigen renommierten Festivals wie dem Hurricane oder Rock am Ring aufgetreten und haben sogar schon ein paar Mal in den USA gespielt. Eine allzu große Nummer sind sie trotzdem noch nicht. Mit „Carry On“ besteht zumindest die Möglichkeit, dass sich das grundlegend ändern könnte.

Vor allem aber illustrieren Leon & The Folks einen seltsamen Berliner Widerspruch: Rockbands, die in Berlin ansässig sind, tun sich immer noch schwer, international zu reüssieren. Rockbands aus dem Rest der Welt dagegen finden Berlin so schick, dass sie gern hierher kommen, um Musik aufzunehmen, mit denen sie dann international groß rauskommen.

Aktuellstes Beispiel sind Blood Red Shoes. Das Duo aus Brighton, das mal als Englands Antwort auf die White Stripes galt, hat sein viertes Werk, das mit dem schlichten Titel „Blood Red Shoes“ einen Neuanfang markiert, in Berlin aufgenommen. Die sechs Monate in Kreuzberg haben sich offensichtlich gelohnt. Denn die neuen Songs haben nicht nur fesche Melodien, sondern rumpeln und scheppern so räudig, dass es nicht nur eine wahre Freude ist, sondern auch dienen könnte als Soundtrack für eine Party in einer Berliner Abrisshauswohnung mit Sprelacart-Einbauten. Der Blick von außen auf die Stadt klingt halt doch sexyer als der von innen. THOMAS WINKLER

■ Leon & The Folks: „Carry On“ (Soundworks), live 13. 3., Magnet

■ Blood Red Shoes: „Blood Red Shoes“ (Jazz Life/ PIAS/ Cooperative), live 10. 4., Astra