piwik no script img

Archiv-Artikel

Der Mann fürs Grobe setzt auf Holz

Philipp Crone, seit gestern Rekordnationalspieler, will mit Deutschlands Hockeyspielern ins WM-Halbfinale

MÖNCHENGLADBACH taz ■ Björn Emmerling wusste sehr genau, wer der angemessene Antwortgeber auf diese Frage war. Gerade hatte die deutsche Hockeynationalmannschaft in einem dramatischen Spiel 2:2 gegen Holland gespielt, und kurz vor Schluss war es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Wie das möglich war, wollte ein Reporter wissen, und Björn Emmerling schob das Mikrofon lächelnd zum Kollegen Philipp Crone hinüber. Crone ist ein Mann mit Faible fürs Grobe, klein, kompakt, muskulös, der Libero des deutschen Teams. Seit dem Eröffnungsspiel der WM trägt er auch noch ein dickes Pflaster über einer Platzwunde auf der Stirn, was ihn noch etwas verwegener wirken lässt. Crone beschrieb also, wie Hollands Teun de Nooijer einen Einschlag auf den am Boden liegenden Eike Duckwitz geschossen hatte, und dann habe man „denen klar gemacht, dass das relativ unfair war und so nicht geht“, berichtete Crone. Er ist ein Typ, der so etwas mit sanfter Stimme sagt, aber man sieht, dass er in der entsprechenden Situation wohl weniger sanft war.

Crone ist seit dem Wochenende der neue Rekordnationalspieler der deutschen Hockey-Männer. Gegen Holland am Samstag absolvierte der 29-Jährige sein 334. Länderspiel, damit zog er gleich mit Björn Michel, und seit dem Auftritt am Sonntag gegen die Engländer, die durch Tore von Christopher Zeller (24., 43./Siebenmeter) mit 2:1 besiegt wurden, steht Crone nun allein an der Spitze dieser Ehrenliste. Viel Aufsehen wollte er aber nicht machen um diesen historischen Moment seiner langen Karriere. „Das beschäftigt mich nicht unbedingt“, sagte er.

Der Abwehrchef ist ein bescheidener Typ. Angesichts des Trubels um den ins Fußballgeschäft wechselnden Bundestrainer Bernhard Peters verkündete er: „Ich bin froh, dass Bernhard der Star ist.“ Dabei hat auch Crone durchaus ein gewisses Heldenpotenzial. Oder zumindest eine beeindruckende Erfolgsbilanz aufzuweisen: Wenn er mit Deutschland Weltmeister werden sollte, dann hätte er je zwei Champions-Trophy-, EM- und WM-Titel gewonnen, nur die beiden Olympiateilnahmen blieben ungekrönt. 2000 wurden die Deutschen Fünfter, 2004 gewannen sie immerhin Bronze. Aber das Schwelgen in derlei Erinnerungen war an diesem vorentscheidenden WM-Wochenende nichts für den Münchner, der gegenwärtig für den Uhlenhorster HC Hamburg spielt.

Lieber plauderte er ein wenig über seinen Schläger. Das sei ein uraltes Modell, erzählte er, „mit dem habe ich schon bei Olympia in Athen gespielt“, heutzutage sind die Krummstöcke meist aus Kunststoffen, Crone spielt mit einem alten Sportgerät aus Holz. Damit könne man „gut schlagen, fürs Technische sind ja die anderen zuständig“, sagte er. Bei eigenem Ballbesitz steht er meist weit in der eigenen Hälfte und schlägt den Ball mit Vorliebe lang, flach, hart und präzise in die Offensive. Diese Spielweise ist nicht filigran, aber „oft sehr hilfreich“, sagt Bundestrainer Peters. Crone entspricht einem alten Klischee: Die Deutschen seien traditionell etwas grobschlächtig und träfen immer in der letzten Minute, heißt es in der Hockeywelt. Gegen Holland holten sie mit hoher Willenskraft einen zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand auf. Matthijs Brower (38.) und Rob Reckers (42.) hatten die Niederländer in Führung gebracht, Zeller (47.) und Moritz Fürste (55.) für die Deutschen getroffen. Peters zeigte sich „mit dem Ergebnis nach dem Spielverlauf zufrieden“.

Das Rekordspiel ist also gelungen für Crone, und nun stehen die Chancen auf den erhofften Halbfinaleinzug bei den ausstehenden Partien gegen Südafrika am Dienstag und Korea am Mittwoch sehr gut. Und ein erfolgreiches Turnier motiviert den Biologen gewiss, noch länger auf diesem Niveau Hockey zu spielen, denn wenn das 30. Lebensjahr naht, entscheiden sich die meisten deutschen Spieler langsam für einen Beruf und beenden die internationale Karriere. Crone hat nach dem ersten Hochschulabschluss von 2004 noch ein 16-monatiges Journalistikstudium absolviert, doch auch das ist mittlerweile beendet. Nun schreibt er für die Münchner Abendzeitung Insiderberichte von der WM und sagt: „Ich träume davon, Wissenschaftsjournalist bei Geo zu werden.“

Daniel Theweleit