… DER LIEBE GOTT?
: Berlin beschenken

Die Geschichte. Ein weites, schlüpfriges, ja vermintes Feld. Kaum ist etwas vergangen, herrscht schon Uneinigkeit darüber, wie es wirklich war. Oder jemand reklamiert die Autorenschaft epochaler Ereignisse einfach für sich. Oder seinen Chef.

Wissen Sie noch, wer die Berliner Mauer zu Fall brachte? Ja? Sie meinen, es war das endlich aufmüpfig gewordene DDR-Volk? Das glauben viele. Aber möglicherweise war es ja Gorbatschow. Oder Schabowski. Thomas Brussig ließ im Roman „Helden wie wir“ seine Figur Klaus Uhltzscht behaupten, er habe die Mauer „mit dem Schwanz“ eingerissen. Und wie der Spiegel ganz frisch recherchiert hat, gab’s die Einheit nur gegen Bares: im Tausch für den Euro.

In Wirklichkeit war es natürlich ganz anders. „An diesem Tag“ – dem 3. Oktober nämlich – „gilt unser Dank ganz besonders Gott, der unserem Land in den Jahren 1989 und 1990 auf so wunderbare Weise die Einheit in Freiheit und Frieden mit allen Nachbarn geschenkt hat“, sagt Pfarrer Axel Nehlsen, Geschäftsführer von „Gemeinsam für Berlin“. Mit Kardinal Sterzinsky, Superintendentin Isolde Böhm und ganz vielen anderen Kirchenmännern und -frauen lädt er dazu ein, am Jahrestag der Wiedervereinigung einen Dankgottesdienst in der Prenzlberger Herz-Jesu-Kirche zu feiern. Denn: „Wer dankbar auf Gottes Gnade in den Wendejahren zurückschaut, möchte seine Freude auch durch Feiern ausdrücken.“

Gott also war’s. Dass der Höchste so direkt in die Geschicke seiner Geschöpfe eingreift, kannte man eigentlich nur noch aus der Bibel. Selbst die Wunder katholischer Heiliger betrafen eher einen engen Personenkreis. Regimezusammenbruch und Wiedervereinigung spielen da in einer ganz anderen Liga.

Und womit hat Deutschland das verdient? Dass der liebe Gott es keine 50 Jahre nach Auschwitz begnadigt und dazu noch reich beschenkt? Anderswo auf der Welt, möchte man sagen, ist die Kacke am Dampfen, aber den Seinen gibt’s der Herr in Schwarz-Rot-Gold?

Die Antwort: Ist alles erbetet. Hinter dem Verein „Gemeinsam für Berlin“ stecken nämlich ganz viele Menschen, die ganz fleißig beten – für die Stadt, für das Land. Das wirkt: Auf gebetfuerberlin.wordpress.com ist nachzulesen, dass etwa der Besucherrückgang des CSD ebenso auf Gebete zurückgeht wie der Zuzug des „gläubigen Regisseurs Wim Wenders und seiner Frau“.

Und wer Wim Wenders in der Hand hat, der hat die ganze Welt in der Hand. CLP Foto: ap