piwik no script img

Archiv-Artikel

Vergiftende Gesetze

Eine rot-grüne Abfallverordnung macht es möglich: Gifte wie perfluorierte Tenside können in Nordrhein-Westfalen ohne große Probleme als Bioabfall oder Dünger in Wasser und Boden landen

VON MIRIAM BUNJES

Gesetzeslücken haben nach Einschätzung von Umweltwissenschaftlern den Skandal um mit perfluorierten Tensiden (PFT) belastetes Trinkwasser im Hochsauerlandkreis möglich gemacht. So genannter Biodünger könne giftige Stoffe enthalten, die als Bioabfall deklariert wurden. „Völlig unzureichend“, nennt Christoph Schulte, Ökotoxikologe beim Bundesumweltamt die Bioabfallverordnung – ein Vorschriftenpaket, das 1998 von der rot-grünen Bundesregierung erlassen wurde.

Laut Verordnung passen auch Klärschlämme aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie in die Kategorie Bioabfall: „Verwertung nur dann, wenn keine Vermischung mit Abwässern und Schlämmen außerhalb der spezifischen Produktion erfolgt.“ Das ließe sich kaum nachprüfen, so der Toxikologe. „Bio kann man das bestimmt nicht nennen, was da in NRW und in Hessen auf die Felder gelangt ist: Das ist übler Chemieabfall, der sich nicht leicht abbauen lässt.“

Auch NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) hält die Verordnung für nicht ausreichend und will sich auf der Agrarministerkonferenz Ende September für eine Änderung einsetzen. „Die Mengen PFT, die im Sauerland aufgetaucht sind, waren aber sicherlich auch mit dieser Verordnung nicht gesetzeskonform. Das war Umweltkriminalität,“ sagt sein Sprecher Markus Fliege. Das Ministerium habe jedoch recherchiert, dass der PFT-haltige Dünger „Terrafarm“ eine lange Lieferantenkette hinter sich hatte. „Verschleierung wird durch die unpräzise Verordnung leicht gemacht“, so Fliege.

In Ruhr und Möhne waren im Mai hohe Konzentrationen PFT aufgetaucht, später wurde das Gift auf Feldern entdeckt. Verantwortlich dafür soll die Firma GW Umwelt sein, Umweltschützer gehen jedoch von weiteren Quellen aus. Der Stoff wird als potenziell leberschädigend und Krebs erregend eingestuft.

Im Wasser gefunden wurde PFT nur zufällig; nach der Chemikalie wurde nicht gesucht, obwohl sie sich in vielen Alltagsprodukten befindet. „Das Wasser wird in NRW fast ausschließlich auf Schwermetalle untersucht“, sagt Harald Färber, Lebensmittelchemiker des Bonner Hygieneinstituts, das die PFT-Belastungen aufgedeckt hatte. „Dabei können auch organische Verbindungen sehr giftig sein.“ Laut Bioabfallverordnung liegt die Kontrollhoheit bei den Ländern.

Genau deshalb hatte Matthias Schulte-Huermann – für die Grünen in der Kreistagsfraktion des Hochsauerlandkreises – in der vergangenen Woche die Ex-Landesumweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) angezeigt, die Anzeige aber einen Tag später wieder zurück gezogen.

Die NRW-Grünen wollen von ihrer Verantwortung nichts hören. Im Landtag nannte der umweltpolitische Sprecher Johannes Remmel die Bioabfallverordnung gestern zwar unzureichend. Die Fraktion fordert jedoch vor allem die Modernisierung der Klärwerke: „Wir müssen die Verbraucher jetzt schützen, nicht erst wenn eine Gesetzesänderung durch ist.“