: Frauen, es wird ernst
WILD FLAG Die Ankündigung einer „female supergroup“ sorgt für Enthusiasmus auf Planet Pop
Vielleicht ist das ein Zeichen. Ein Beispiel dafür, dass im Pop langsam ausgewogenere Geschlechterverhältnisse einziehen als in der Kfz- oder Astronautenszene, wie sie die Musikerin und taz-Autorin Christiane Rösinger einmal so treffend beklagt hatte.
Wenn allein die Meldung der Gründung einer „female supergroup“ euphorisch gefeiert wird, von der bis jetzt kein Ton zu hören war. Und es dabei nicht mal um eine die Kassen klingeln lassende Fusion von Megastars wie Lady Gaga und Madonna geht, sondern um vier Frauen, die alle tief in der US-amerikanischen Indie-Szene verwurzelt sind und ihre ersten Schritte der Riot-Grrrl-Bewegung zu verdanken haben. Eine exzellente Nachricht ist es in jedem Fall.
Wild Flag heißt das neue große Ding, das „Traum-Line-Up“ aus Portland und Washington D. C. Mit dabei sind: Carrie Brownstein und Janet Weiss, Gitarre und Schlagzeug bei Sleater-Kinney, Mary Timony von der Band Helium und Rebecca Cole von den Minders. Auf der Facebook-Seite wird die Musik des Quartetts kryptisch-humorig als „flaggy“ beschrieben. Ihr Label Merge Records alludiert nicht weniger spaßig auf eine klangliche Kreuzung aus „Hamburger und Hot Dog“, und auf der Myspace-Seite der Band ist zu finden – kein einziger Song. „I have no desire to play music unless I need music“, schreibt Carrie Brownstein auf der Website des öffentlichen Radiosenders NPR. Nach Auflösung von Sleater-Kinney 2006 habe sie wenig Lust aufs Musikmachen gehabt. Stattdessen hat sie eine alternative Comedyserie über ihren Wohnort Portland entwickelt. Vor einem Jahr allerdings habe sie wieder angefangen, „Musik zu brauchen“ und habe daher Freundinnen zusammengetrommelt.
Es ist schon imposant, welch gut funktionierende Strukturen US-Independent-Musikerinnen seit den Neunzigern aufgebaut haben: Mary Timonys Band Helium oder Rebecca Cole mit ihren Minders waren häufig Vorband für Sleater-Kinney. Brownstein und Timony spielten zusammen in dem Nebenprojekt The Spells. Weiss und Cole musizieren zusammen in der Band The Shadow Mortons. Auch wenn Brownstein schreibt, Wild Flag habe sich nie sicher, sondern wie ein „Vielleicht“ angefühlt, jetzt wird es ernst. Das Debütalbum ist für kommenden Frühling geplant, die erste Tour ist bereits für Mitte November an der US-Westküste gebucht. SONJA EISMANN