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Archiv-Artikel

Wasserwerfer und Tränengas

STUTTGART 21 Der Konflikt um das umstrittene Bahnprojekt eskaliert: Die Polizei räumt gewaltsam den Stuttgarter Schlossgarten. Hunderte Demonstranten werden verletzt

„Die Polizei hat auf Kinder und Jugendliche eingeknüppelt“

EINE AUGENZEUGIN

AUS STUTTGART RÜDIGER SINN

Die Auseinandersetzung um das umstrittene Bahnprojekt „Stuttgart 21“ eskaliert. Die Polizei ging am Donnerstag mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor, die Wege im Stuttgarter Schlossgarten blockierten, um die Polizei beim Errichten von Absperrungen zu behindern. Die Parkschützer aus den Reihen der Projektgegner beklagten, die Beamten seien auch mit Reizgas, Schlagstöcken und Fausthieben auf Demonstranten vorgegangen, darunter auch auf Kinder. Mehrere hundert Demonstranten seien wegen Augenverletzungen behandelt worden, teilten die Projektgegner mit. Die Krankenhäuser in Stuttgart seien überlastet. Für die Nacht von Donnerstag auf Freitag waren die ersten umstrittenen Baumfällungen geplant.

Das Projekt sieht den Teilabriss und Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs, eines Kopfbahnhofs, in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an eine Bahnschnellstrecke nach Ulm vor.

Die „Stuttgart 21“-Sprecher Udo Andriof und Wolfgang Dietrich erklärten, ein Teil des mittleren Schlossgartens werde für die Einrichtung des Grundwassermanagements des Bauprojekts gebraucht und frei geräumt. Insgesamt sollen 282 Bäume fallen.

Nach Angaben eines Sprechers der Parkschützer versammelten sich 3.000 bis 4.000 Menschen im Schlosspark, die Polizei sprach von 1.000 bis 2.000. Ein Polizeisprecher erklärte, die Beamten versuchten, „eine Gitterlinie“ aufzustellen, um die Bauarbeiten zu sichern. Die Zufahrt werde von „Hunderten von Menschen“ blockiert, die teilweise auch Polizisten bedrängten. Die Beamten müssten mit sehr vielen Kräften den Weg frei räumen. Dafür seien Wasserwerfer und Polizeireiter im Einsatz. Ob dabei auch Schlagstöcke verwendet wurden, konnte er nicht sagen. „Es wird unmittelbarer Zwang angewandt“, sagte er. Nach Angaben der Parkschützer setzte die Polizei auch Reizgas ein.

Ein Sprecher der Parkschützer erklärte, bis zum frühen Nachmittag seien neun Nasenbrüche durch Polizeigewalt gegen Demonstranten gezählt worden. „Die schlagen richtig zu mit Schlagstöcken, aber auch mit der Faust.“ Mehrere Menschen seien verletzt worden. Ein Aktivist wurde mit stark blutenden Augen aus dem Park gebracht. Zum Zeitpunkt des Beginns der Räumung fand eine Bildungsdemonstration von Schülern statt. Unter dem Motto „Bildung statt Stuttgart 21“ hielten sich nach Veranstalterangaben rund 2.000 Schülerinnen und Schüler im Schlosspark auf. Augenzeugen berichteten auch hier von heftigen Auseinandersetzungen. „Die Polizei hat auf Kinder und Jugendliche eingeknüppelt und sie so zurückgedrängt“, berichtete eine Frau.

Michael Kienzle von der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat fand das Vorgehen der Polizei skandalös: „Diese Terminierung – zeitgleich mit einer angemeldeten Schülerdemonstration – ist eine Rücksichtslosigkeit.“

„Höhere Zäune und mehr Polizei führen nicht zu mehr Zustimmung“, erklärte die baden-württembergische SPD-Politikerin Ute Vogt gegenüber der taz. Vogt selbst ist für das Projekt, weil es eine „große städtebauliche Chance für Stuttgart“ mit sich bringe. Allerdings sei die Situation so eskaliert, dass nur noch ein Volksentscheid als Ausweg möglich sei.

Bis Donnerstagnachmittag strömten immer mehr Menschen in den Schlossgarten; nach Angaben der Parkschützer befanden sich bereits 12.000 Demonstrierende im Schlosspark. Am Eingang des Parks hatten sich einige Aktivisten von Robin Wood an bislang drei Bäume gekettet. Sie wollen damit die Fällung verhindern.

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