: Alle Migranten wählen SPD – fast überall
Vor allem türkischstämmige Migranten haben eine Vorliebe für die SPD. Schwarze Mehrheiten könnten kippen
Migranten in NRW: Knapp 18 Millionen Menschen leben in NRW. Ende 2005 führte die Landesdatenbank 1.927.383 so genannte Nicht-Deutsche in ihrer Statistik. Zehn Jahre zuvor waren es 130.000 mehr. Vor allem die Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 1999 führte zum Sinken des Ausländeranteils: In Deutschland geborene Kinder von Ausländern erhalten die deutsche Staatsbürgerschaft bei Geburt. Wenn sie zusätzlich noch die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern haben, müssen sie sich bis zum 23. Lebensjahr für einen Pass entscheiden. Erwachsene Ausländer haben ebenfalls einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Aktuell besitzt gut ein Drittel der Nichtdeutschen Einwohner in NRW die türkische Staatsangehörigkeit, 13 Prozent kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien, auf dem dritten Platz folgen die Italiener mit etwa sieben Prozent.
Wer wird gewählt? Die in Essen ansässige Stiftung Zentrum für Türkeistudien (ZfT) hat bei ihrer Klientel eine Vorliebe für die Sozialdemokratie ausgemacht. „Es gibt eine starke Dominanz der SPD“, sagt ZfT-Sprecher Dirk Halm. Die Zustimmung liege bei weit über 60 Prozent. Dies sei vor allem der proletarische Herkunft vieler türkischer Migranten geschuldet. Die Zahlen beziehen sich auf eine landesweite Umfrage im Jahr 2004. Sie seien dennoch mit Vorsicht zu genießen, so Halm. „Sie geben die Anteile nicht exakt wieder, da es sich nicht um ein natürliches Wahlverhalten handelt.“ Prognosen gingen davon aus, dass sich das Wahlverhalten mit Dauer des Aufenthaltes anpassen werde. Halm glaubt zudem, dass die Linkspartei „die Klientel aufmischen könnte“. Bei den Senatswahlen in Berlin am kommenden Wochenende könne die Linkspartei mit einem hohen Anteil türkischstämmiger Wähler rechnen.
Wer muss zittern? Vor allem in den Städten mit hohem Ausländeranteil könnte es zu Veränderungen kommen. In Köln (Migrantenanteil 17,3 Prozent) könnte das nach dem Platzen der großen Koalition derzeit aktive Minderheitenbündnis von Rot-Grün auf eine satte Mehrheit setzen. Bei der Kommunalwahl im Jahr 2004 kam die SPD auf 31 Prozent, die Grünen auf 16,6 Prozent – knapp an der Mehrheit vorbei. Der Bielefelder Oberbürgermeister Eberhard David (CDU) müsste wohl um seinen Posten bangen. Bei der Stichwahl setzte er sich mit 50,1 zu 49,9 Prozent gegen seinen Herausforderer Peter Clausen (SPD) durch. Der Migrantenanteil liegt hier bei 12,6 Prozent. Lediglich im schwarzen Münster dürfte sich kaum etwas ändern. Ein Ausländeranteil von 7,8 Prozent kann den Rückstand der SPD (25,3 Prozent) auf die CDU (42,7 Prozent) wohl kaum ausgleichen. HOLGER PAULER