: Großkraftwerke gegen die Armut
Die Weltbank will den Ländern des Südens eine sauberere Energiegewinnung ermöglichen. Doch statt Öko-Stromprojekten finanziert sie Riesenstaudämme und AKWs
BERLIN taz ■ Die Weltbank stellt saubere Energiegewinnung künftig in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Einen Investitionsplan will sie auf ihrer Jahrestagung in Singapur vorlegen. Den Auftrag dazu haben die G-8-Länder auf ihrem Gipfel im schottischen Gleneagles gegeben.
Dahinter steht die Annahme, dass Entwicklung Strom braucht. Zum Lesen und Lernen ist Licht nötig, Medikamente müssen gekühlt werden, Wasser muss in vielen Gegenden abgekocht werden, und ohne Elektrizität ist Gewerbeansiedlung meist gar nicht möglich. „Die Millenniums-Entwicklungsziele können nicht erreicht werden ohne mehr und bessere Energieversorgung“, schreibt die Weltbank in ihrem Papier. Und zwar möglichst saubere Energie, denn der Klimawandel und die Luftverschmutzung aus den Schloten großer Kraftwerke genauso wie aus dem Kochfeuer in der Hütte beeinträchtigen das Leben von Milliarden von Menschen im Süden.
Ein „Denken jenseits eingefahrener Spuren, neue Wege und praktische Lösungen“ versprach Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz, als der den G-8-Auftrag annahm: „Lassen Sie uns zusammen für eine klimafreundliche Zukunft arbeiten.“ Was die Weltbank unter neu, praktisch und klimafreundlich versteht, geht aus dem vorgelegten Papier hervor: Kohlekraftwerke, die künftig mit einer fragwürdigen Technik zur CO2-Rückhaltung ausgestattet werden sollen, sowie Megastaudämme und Atomkraftwerke. Die Begründung der Weltbank: je größer die Anlage, desto niedriger die Kosten pro Kilowattstunde. Knud Vöcking von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Urgewald sieht andere Gründe: „Davon profitieren schließlich die Konzerne aus dem Norden, die die Bauaufträge erhalten“, so Vöcking. „Der Süden aber hat davon vor allem eins: höhere Schulden.“
Ohnehin ist fraglich, inwieweit mit Großkraftwerken Armut bekämpft werden kann. 1,6 Milliarden Menschen haben der Internationalen Energieagentur zufolge überhaupt keinen Zugang zu Strom. Selbst wenn irgendwo ein Riesenkraftwerk steht, fehlt ihnen immer noch der Anschluss ans Netz. Sinnvoller und billiger wären daher lokale Projekte. „Erneuerbare Energien sind der beste Weg zur Armutsbekämpfung“, meint Peter Bosshard vom International Rivers Network (IRN). „Energieerzeugung mit Wind, Sonne, Biomasse, Geothermie und kleinen Wasserkraftwerken ist vor Ort verfügbar, schafft Arbeitsplätze in der Region und hat geringe Auswirkungen auf die Umwelt.“ Laut IRN gab die Weltbank letztes Jahr nur fünf Prozent ihrer Energieprojektmittel für angepasste erneuerbare Energien aus.
Auch die Weltbank räumt ein, dass wenigstens in den ärmeren Ländern Afrikas die Förderung regionaler Projekte sowie das Bereitstellen von netzunabhängigem Licht und sauberen Kochmöglichkeiten nötig ist. Offen bleibt jedoch, ob sich diese Erkenntnis auch in entsprechender Mittelvergabe niederschlagen wird. NICOLA LIEBERT