: „Demos verändern nichts“
INTERVIEW MARTIN TEIGELER
taz: Herr Wetzel, sind Sie ein Gewinnertyp?Detlef Wetzel: Naja, es läuft mal so, mal so.
Aber den laufenden Tarifkonflikt in der Stahlindustrie wollen Sie doch gewinnen, oder?Wir wollen einen hohen Lohnabschluss erreichen und einen neuen Tarifvertrag für altersgerechtes Arbeiten. Wir wollen, dass die Älteren gesund in Rente gehen können und dass es für die Jüngeren neue Arbeit gibt. Darum geht es. Tarifpolitik ist unser Tagesgeschäft als IG Metall.
Die Arbeitgeber lehnen die hohe Lohnforderung ab.Vom Stahlboom wollen die Arbeitgeber ganz alleine profitieren. Und gleichzeitig tun sie zu wenig für den Nachwuchs: Wenn ein Riesen-Unternehmen wie ThyssenKrupp Steel nur 15 Auszubildende pro Jahr übernimmt, ist das ein großes Problem. Da müssen wir gegensteuern. Und die Beschäftigten fordern selbstverständlich ihren verdienten Anteil an den steigenden Gewinnen. Einige bei uns wollten angesichts der sehr hohen Profite der Stahlbranche noch mehr fordern.
Wie viel denn?Zehn Prozent. Aber wir haben uns dann in der Tarifkommission auf die Sieben-Prozent-Forderung geeinigt.
Die vergangenen Tarifrunden bei Stahl und Metall in NRW wurden auch als Ihre persönlichen Erfolge verbucht. Sie wurden als erfolgreicher Modernisierer gefeiert. Freut Sie das?Das ist positiv, dass das so wahrgenommen wird. Es geht aber nicht um mich, sondern um Veränderungsprozesse. Solche Prozesse brauchen Erfolge. Besonders unser Programm „Tarifaktiv“ ist ein Erfolgsmodell geworden, mit dem wir unsere Durchsetzungskraft in den Betrieben stärken und den Flächentarifvertrag erhalten.
Dass IGM-Mitglieder mehr bekommen sollen als Nicht-Organisierte ist umstritten.Es geht weniger um eine materielle Besserstellung, als um Qualifizierung und Zuschüsse zur betrieblichen Altersvorsorge. Auch dadurch haben wir den negativen Trend bei den Mitgliederzahlen stoppen und umdrehen können. Die Mitgliederwerbung ist mir besonders wichtig.
Haben Ihre Vorgänger diesen Trend verschlafen?Jede Zeit hat ihre eigenen Baustellen. Unser aktuelles Motto ist „besser statt billiger“. Wir wollen in den Betrieben nachweisen, dass wir nur durch bessere Arbeit, bessere Innovation und bessere Bildung die deutsche Exportweltmeisterschaft sichern können. Arbeitslosigkeit ist nur mit den Unternehmen zu überwinden, die mit ihren Beschäftigten auf bessere Produkte, Prozesse und Marktzugänge setzen.
Sie reden ja wie ein Manager.Ich bin kein Manager. Es geht uns um Interessenvertretung und darum, die Zukunft der IG Metall als handlungsfähige starke Gewerkschaft zu sichern.
Jetzt sind Sie sogar für Gewerkschaftsposten auf Bundesebene im Gespräch.Ob Sie es glauben oder nicht. Daran verschwende ich keinen Gedanken.
Könnten Sie sich vorstellen, wie Ihr Vor-Vorgänger Harald Schartau in die Politik zu wechseln?Mit Sicherheit nicht.
Schartau ist politisch gescheitert. War es ein Fehler, dass er als Gewerkschaftschef aufgehört hat?Das ist seine Sache. Das muss er beantworten, wenn er Bilanz zieht.
Warum interessiert Sie ein Wechsel in die Politik nicht?Es gibt auf dieser Welt Kräfte, die die Dinge zum Positiven verändern wollen. Dazu zähle ich die Gewerkschaften. Und es gibt Kräfte, von denen ich eher negative Dinge erwarte. Dazu zählt auch die Politik. Was da momentan geschieht, ist ja eher Abbruch als Aufbau.
Wie ist das zu verstehen: An der Industriegewerkschaft Metall soll die Welt genesen?Wer kümmert sich denn sonst darum, dass Menschen einen Job bekommen, mehr Einkommen, mehr Qualifizierung und mehr Altersvorsorge? Das sind doch die Gewerkschaften. Ich bin schon seit längerem ein Anhänger der These, dass gerade in diesen politisch schwierigen Zeiten die Gewerkschaften eine Renaissance erleben werden. Wir sind eine positive Kraft.
Und zu den negativen Kräften gehört dann auch die NRW-Landesregierung?Ach, wir können uns nicht beklagen. Der Sozialminister Karl-Josef Laumann von der CDU hat ein paar interessante Sachen vorgeschlagen. Und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers stellt immerhin die richtigen Fragen.
Und die Antworten?Die fehlen noch. Aber wie Rüttgers offen die Lebenslügen seiner Partei angesprochen hat, war richtig. Der Mann hat recht: Steuersenkungen schaffen keine Arbeitsplätze. Wenn Rüttgers jetzt noch die richtigen Schlussfolgerungen daraus zieht, wäre der Mann ja perfekt.
Wie ist der Arbeitskontakt zur schwarz-gelben Landesregierung?Ganz gut. Mit dem NRW-Wirtschaftsministerium könnte es besser sein.
Die CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben gilt als marktliberale Ideologin.Da ist oftmals noch altes Denken im Kopf. Diese Hetze im Wahlkampf gegen die Windenergie beispielsweise war völlig daneben. Mittlerweile müsste auch das Wirtschaftsministerium merken, dass an der Windenergie 10.000 Arbeitsplätze im Land hängen. Frau Thoben hat einiges noch nicht ganz verstanden.
Was erwarten Sie von der Rüttgers-Regierung?Einen klaren industriepolitischen Kurs um gut bezahlte Arbeitsplätze in NRW zu halten und neue Jobs zu schaffen. Zudem muss Schwarz-Gelb mehr machen in der Arbeitsmarktpolitik. In Berlin sollte die Landesregierung für einen sozialeren Kurs der großen Koalition werben. Da wollen wir als Gewerkschaften gern einen Beitrag leisten. Im Grunde genommen stehen wir bei jeder politischen Entscheidung an einer Kreuzung. Geht es nach rechts Richtung Abbau und Misserfolg...
... oder nach links?Sagen wir: Richtung Erfolg.
Die Bundesregierung schlägt die falsche Richtung ein?In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik absolut. Die Rente mit 67 ist ein großer Fehler, genauso wie das wahrscheinliche Ende der Altersteilzeit. Das ist ja auch ein Grund, warum wir in der Stahltarifrunde gegensteuern müssen.
Wie wollen Sie das machen?Wir wollen einen Tarifvertrag, der eine längere gesunde Erwerbstätigkeit und das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsleben ermöglicht. Ob jemand bis zur Rente arbeiten kann, entscheidet sich nicht mit 60, sondern mit 30. Deshalb müssen die Arbeitsbedingungen erleichtert werden. Das gilt besonders für die Eisen- und Stahlindustrie. Stoppen die Stahlkonzerne die Überalterung der Belegschaften nicht, verlieren sie ihre Wettbewerbsfähigkeit.
Arbeitsminister Franz Müntefering ist wie Sie Sozialdemokrat. Haben Sie keinerlei Hoffnungen in die Politik?Die Politik kann sowieso nur Rahmenbedingungen schaffen. Aber das macht Sie derzeit nicht besonders gut. Es geht ein sozialer Riss durch diese Gesellschaft, aber die große Koalition tut zu wenig gegen Spaltungsgefahren.
Und Sie sind nur eine „Karteileiche“ in der SPD?Ich bin seit mehr als 30 Jahren SPD-Mitglied. Und das bleibe ich auch.
Warum sind Sie denn überhaupt eingetreten? Wie alle damals wegen Willy Brandt?Willy Brandt hat mich schon beeindruckt. Aber ich bin da etwas anders gestrickt. Ich bin vor allem SPD-Mitglied geworden, um in der Partei gewerkschaftliche Positionen zu vertreten. Das sollten andere Gewerkschafter auch machen – je nach ihrer jeweiligen politischen Couleur.
Einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen machen bei der Linkspartei.PDS oder der WASG mit.Die interessieren mich nicht sehr. Die WASG will ja nicht einmal regieren.
Im Herbst wollen die Gewerkschaften auch in Dortmund mit einer Großdemo gegen die Politik der großen Koalition protestieren. Finden Sie das richtig?Ja, das ist wichtig, um unsere Position als Gewerkschaft gegen die Gesundheitsreform und andere unsoziale Pläne der großen Koalition deutlich zu machen. Aber verändern wird man damit allein wohl nichts. Ich kann mich an kaum eine Demonstration erinnern, die ein konkretes Gesetzesvorhaben verändert hätte. Wir müssen als Gewerkschaften selbst aktiv werden, um die Verhältnisse zu verbessern.