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Auf dem Bau – unter Tarif

Freie Bahn für Dumpinglöhne: Der DGB fürchtet, dass der Senat das Vergabegesetz, das seit 2004 gilt, abschaffen will. „Der Senat hält sich schon jetzt nicht an das Gesetz“, sagen Gewerkschafter

Die Zahl der Bauarbeiter in Hamburg ist von 22.000 im Jahr 1995 auf 8.900 gesunken. Knapp 30 Prozent sind arbeitslos

VON SILKE BIGALKE

Dumpinglöhne auf den Baustellen, 2.500 arbeitslose Hamburger Bauarbeiter und die Ausbeutung billiger Kräfte aus dem Ausland – das alles soll das Hamburger Vergabegesetz eigentlich verhindern. Solange es gilt, dürfen öffentliche Bauaufträge nur an Firmen gegeben werden, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Doch der DGB fürchtet, dass der Senat das Gesetz jetzt abschaffen will.

Bereits im Juli 2005 hatte der Senat die Regelungen gelockert und gleichzeitig das Gesetz auf drei Jahre, bis Ende 2008, befristet. Eine Evaluation soll jetzt darüber entscheiden, ob das Vergabegesetz nach 2008 überhaupt fortbestehen soll.

Schon 2005 sprach DGB-Vorsitzender Erhard Pumm von einer Aufweichung der Tariftreue. Schließlich würde die Stadt davon profitieren, wenn sie bei Bauaufträgen auf Billiganbieter zurückgreifen könnte. „Viele Aufträge werden schon jetzt an Firmen vergeben, die mit Dumpinglöhnen arbeiten“, sagt auch Andreas Suß, Geschäftsführer der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. „Der Senat hält sich nicht an sein eigenes Gesetz.“

Dass es auf öffentlichen Baustellen immer häufiger zu Verstößen kommt, liegt in erster Linie an der Taktik skrupelloser Bauunternehmen, sagen Gewerkschafter und Arbeitgeber. Die versichern bei der Vergabe ihrem Auftraggeber zwar, nach Tarif zu bezahlen. Tatsächlich verlängern sie die Stundenzahl ihrer ausländischen Arbeiter so weit, bis der tatsächliche Stundenlohn auf einen Hungerlohn geschrumpft ist. Drei bis fünf Euro sind dabei laut DGB keine Seltenheit.

„Auf diesen Baustellen wird weit über 12 Stunden am Tag gearbeitet“, erzählt Uwe Nack, Betriebsratvorsitzender der Firma Wayss und Freitag. „Da haben meine Kollegen keine Chance, daneben zu bestehen.“

Der DGB wirft dem Senat vor, solche Verstöße absichtlich nachlässig zu verfolgen. „Bei einem Angebot wird nur auf den Gesamtpreis geschaut“, so Suß. „Der Lohn wird dabei nicht kontrolliert.“ Dabei ist zur Überprüfung des Vergaberechts extra eine zehnköpfige Sonderkommission abgestellt worden, die laut Baubehörde 578 Kontrollen im Jahr 2005 durchgeführt hat. Ob ein Bauunternehmer allerdings die Tariftreue einhalte, das sei „sehr schwer durchschaubar“, so Behördensprecherin Kerstin Feddersen. „Die gehen sehr gewieft vor und haben meistens saubere Bücher.“ Der DGB wirft der Baubehörde vor, die Kalkulationen nicht auf die Arbeitszeit hin auszurechnen. Dazu kommt, dass oft gar nicht die Stadt selbst einen öffentlichen Auftrag vergibt, sondern ein stadteigenes Unternehmen als Auftraggeber auftritt. Dabei muss es sich zwar grundsätzlich genau wie die Stadt an das Vergabegesetz halten und darf nur Firmen beauftragen, die nach Tarif bezahlen. Ob die beauftragte Firma sich aber an diesen Vertrag hält, kontrolliert nicht mehr die Baubehörde, sondern der Auftraggeber selbst. Damit ist die städtische Kontrolle ausgehebelt. Mittlerweile ist die Zahl der Bauarbeiter in Hamburg von 22.000 im Jahr 1995 auf 8.900 gesunken. 2.500 von ihnen, knapp 30 Prozent, sind arbeitslos.

Auch die Arbeitgeberverbände fordern deshalb den Erhalt und die Durchsetzung des Vergabegesetzes. „Es muss einheitliche Rahmenbedingungen für alle geben“, so der Geschäftsführer der Baufirma Max Hoffmann, Christian Roggenbuck. Seine Firma stehe durch ausländische Kontingentarbeiter unter enormem Preisdruck. Der Geschäftsführer der Bauinnung, Michael Seitz, sagt: „Ohne Vergabegesetz würden weiter Arbeitsplätze verloren gehen. Es gäbe mehr Insolvenzen.“ Seitz fürchtet genau wie der DGB, dass das Gesetz durch den Senat kaputt evaluiert wird.

Das Ergebnis der jetzt startenden Evaluation entscheidet darüber, ob das Vergabegesetz nach 2008 fortbesteht. Der Senat möchte dabei die öffentlichen Unternehmen am liebsten nicht einbeziehen, vermutet Seitz. Knackpunkt hierbei ist eine bestimmte Klausel im Vergabegesetz, nach der sich eben doch nicht alle öffentlichen Unternehmen an die Tariftreue halten müssen. Diejenigen Unternehmen, die 80 Prozent ihres Umsatzes im Wettbewerb zu privaten Anbietern erzielen, sind davon befreit. „Welche das sind, möchte der Senat nicht preisgeben und verweist auf das Geschäftsgeheimnis,“ sagt der Geschäftsführer der Bauinnung. Um aber die anderen Unternehmen bewerten zu können, müssten auch die Ausnahmen offen gelegt werden. „Schließlich müssen wir wissen, was wir evaluieren.“

Gewerkschaftsführer Suß pflichtet dem Arbeitgebervertreter bei: „Ich habe den Eindruck, dass man den Fragekatalog so ausgerichtet hat, dass das gewünschte Ergebnis herauskommt.“ Die Evaluation soll dabei helfen, dass Gesetz abzuschaffen, sagt auch DBG-Chef Pumm. Wirtschaftssenator Uldall sei schon gegen das Vergabegesetz gewesen, als es beschlossen wurde. Die Befristung sei das erste Zeichen dafür, dass er das Gesetz nun rückgängig machen will. Der Sprecher der Finanzbehörde, Sebastian Panknin, widerspricht: „Die Evaluation ist ein probates Mittel, um zu sehen, ob die Tariftreueregelung funktioniert“, sagt er. „Oder ob wir zum Beispiel hintergangen werden.“

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