: Die besseren Borussen
Michael Frontzeck kennt keine Gnade: Bei seinem Trainerdebüt auf dem Aachener Tivoli schickt er seinen Ex-Club Borussia Mönchengladbach mit einer bitteren Niederlage nach hause
AUS AACHENDANIEL THEWELEIT
Alemannia Aachen gilt als krasser Außenseiter in der ersten Bundesliga. Bei einer fundierten Bewertung der Qualität der Einzelspieler würde das Team vermutlich auf einem Abstiegsplatz landen, das Stadion steht irgendwo ganz am Rande der Bundesligatauglichkeit, und nun haben die Aachener auch noch ihren hoch geschätzten Trainer Dieter Hecking verloren. Aber das alles macht nichts, denn sie besitzen etwas anderes dort in der Domstadt: eine ganz außergewöhnliche Fähigkeit, Rückschläge zu verkraften.
Wenn es im Fußball zuallererst um diese Qualität ginge, dann wäre Alemannia Aachen ein Topfavorit auf den Meistertitel. In den vergangenen Jahren gab es wilde finanzielle Turbulenzen, einen überraschend verstorbenen und einen schwer erkrankten Trainer, die Kofferaffäre, knapp verpasste Aufstiege, weg gekaufte Leistungsträger, doch Aachen steckte all das weg. Und nach dem 4:2 gegen die Borussia aus Mönchengladbach steht der Klub besser da als jemals zuvor.
„Seitdem ich hier bin haben wir Szenarien gehabt, die immer mal außerordentlich waren“, sagte Sportdirektor Jörg Schmadtke, aber „die Mannschaft hat immer Antworten gefunden, das war jetzt auch so“. Mit „wir“ meinte Schmadtke natürlich auch sich selber, und die beiden entscheidenden Antworten für diesen Spieltag hatte der Sportdirektor ausgerechnet drüben beim Erzrivalen Borussia Mönchengladbach entdeckt: Michael Frontzeck und Jan Schlaudraff.
Frontzeck wirkte nach seinem ersten Spiel als Cheftrainer fast schon wie ein erfahrener Recke, einzig ein kleines Meer aus Schweißperlen auf der hohen Stirn verriet seine Anspannung. „Es ist unglaublich schön, diese Mannschaft hier zu sehen“, sagte der 42-Jährige sichtbar beglückt. Und weil sich in den Foren der Aachener Fans unter der Woche ein gewisser Widerstand gegen den ehemaligen Gladbacher formiert hatte, freute Frontzeck sich ganz besonders über „den freundlichen Empfang“. Den Lorbeerkranz für diesen ersten Aachener Bundesligaheimsieg nach über drei Jahrzehnten wollte er sich aber noch nicht aufsetzen lassen nach gerade einmal drei Tagen Arbeit mit der Mannschaft. Diese schöne Aufgabe überließ der neue Trainer Schmadtke.
Der starke Mann bei den Aachenern erklärte, Frontzeck „hat sich perfekt eingefügt, er kommt in einen intakten Verein, ich denke, er passt zum TSV“. Ganz besonders freute sich Schmadtke aber über Jan Schlaudraff, der wie schon gegen Schalke 04 und in Hannover der beste Aachener Spieler war. Schlaudraff erzielte zwei Tore (31., 84.), bereitete das wichtige 3:1 von Marius Ebbers vor (51.) vor, und am Samstagabend führte er sogar vorübergehend die Torschützenliste der Bundesliga an. Schlaudraff war vor eineinhalb Jahren aus Mönchengladbach gekommen, dort wollte man ihn nicht mehr haben.
„Dann bin ich da hingefahren und habe den Jan mitgenommen“, sagte Schmadtke. Seither hat der 23-jährige Stürmer eine ganz hervorragende Form. „Man muss abwarten, ob er sich jetzt in der Bundesliga etabliert“, hatte Mönchengladbachs Manager Peter Pander noch vorige Woche dem Kicker gesagt, und das hatte geklungen, als wolle er nicht so recht einsehen, dass es ein Managerfehler gewesen sein könnte, diesen Spieler abgegeben zu haben. Stattdessen hatte Pander Leute wie Jörg Böhme oder Giovane Elber geholt. Schlaudraff fand diese Aussage „ein bisschen frech“, wie er nach seiner tollen Show erklärte.
Unter Jupp Heynckes, der eine Vorliebe hat für exakt diesen jungen, schnellen und kreativen Spielertyp, wäre Schlaudraff wohl eher nicht abgegeben worden. Jetzt fügte er seinem alten Klub diese bittere Niederlage zu. Frontzeck meinte, „in der zweiten Liga hat er eine sehr gute Runde gespielt, jetzt ist er auch in der ersten Liga angekommen.“ Allerdings erhielten die Aachener viel Hilfe bei diesem Sieg. Dem 1:0 von Laurentiu Reghecampf ging ein diskussionswürdiger Handelfmeterpfiff voraus (7.), und danach spielten die Mönchengladbacher konstant fehlerhaft, so dass Heynckes ungewohnt deutliche Worte fand. „Das gesamte Defensivverhalten der Mannschaft war heute nicht vorhanden“, erklärte er. Dem Mittelfeld fehlte jede Fähigkeit zur Beschleunigung. Einzig der brasilianische Stürmer Kahe, der die beiden Mönchengladbacher Tore erzielte (50., 90.) und sich viel bewegte, spielte eine richtig starke Partie. Die Umsetzung des großen Plans, die chronische Auswärtsschwäche der vergangenen Jahre abzuschaffen, will Jupp Heynckes bislang noch nicht so recht gelingen.