Das Borek-Imperium

KLITTERUNG Wie Braunschweig zu seiner Schloss-Attrappe kam

Mit Preußenprinzessin Viktoria Luise, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, verstarb 1980 die letzte europäische Hochadelige, die in Braunschweig gelebt hatte. Mitnichten ist allerdings monarchischer Glamour am Ort versiegt: Gern wird darauf hingewiesen, dass ja auch Caroline von Monaco, Angetraute des derzeitigen Ernst August von Hannover, den Titel Herzogin von Braunschweig-Lüneburg führt.

Jenseits des dynastischen Adels beherrscht ein Finanzadel die Geschicke Braunschweigs, in dessen Mittelpunkt die Familie und Firma Borek steht respektive deren derzeitiges Oberhaupt Richard, das von der Lokalpresse schon mal zu Richard Borek III. nobilitiert wird.

Zu der weitverzweigten Firmengruppe gehören ein weltweit tätiger Verlag für Briefmarken und Münzen mit Handel für historische Wertpapiere. 1981 wurde die Richard-Borek-Stiftung gegründet, die seitdem mäzenatisch in Braunschweig eingreift.

Richard III. war eine treibende Kraft hinter dem bis 2007 nachgebildeten Braunschweiger Herzogsschloss, dessen Ruine 1960 unter heftigem Bürgerprotest abgerissen worden war. Damals stand Richard Borek Senior an der Spitze eines kunsthistorisch fundierten Memorandums zum Erhalt der zwar zu einem Drittel kriegszerstörten, jedoch standfesten klassizistischen Bausubstanz.

Wie viel Geld das Borek-Imperium in die Attrappe investiert hat, wurde nie offiziell mitgeteilt. Mit Zahlen belegt ist jedoch die Quadriga, die mit Landesgöttin Brunonia den Schlossportikus bekrönt, eine Schenkung Boreks an die Stadt: Die im Oktober 2008 aufgesetzte Bronzeplastik nach historischen Vorbild wiegt 25,8 Tonnen, ist 7,5 m breit, 9,5 m lang und misst an ihrer höchsten Stelle 9,2 m. Die Herstellungskosten beliefen sich auf 700.000 Euro. Sie ist die größte Quadriga Europas und kann gegen zwei Euro Gebühr erklommen werden. Als Besuchermagnet erweist sie sich aber nicht, die Zahlen sind kontinuierlich rückläufig, die Unterhaltskosten wurden geschickterweise der Stadt auferlegt.

Mit dem Wiederaufbau des Schlosses als Eingangsbauwerk zu einem großen Shoppingcenter bekam Braunschweig ein international belächeltes Kuriosum. Es ist seither in jenen Diskussionen allgegenwärtig, die einen Rest baukultureller Redlichkeit der emotionalen Macht rekonstruierter Architekturbilder entgegenstemmen.

Eine Bankrotterklärung für die seriöse Geschichtsforschung ist das 2011 im Nordflügel des Gebäudes eröffnete Schlossmuseum. In einer frei erfundenen Raumfolge werden Mobiliar, Gemälde, der Welfenthron und andere höfische Pracht dargeboten, mit der Aufgabe, die braunschweigische Identität zu stärken.

BETTINA MARIA BROSOWSKY