„Mein Prinzip ist eigentlich die Faulheit“

Der Magnetbanduntergrund: Das war in der DDR der Achtzigerjahre die Szene der Wohnzimmer-Avantgarde und Kirchen-Punks. An sie erinnert das Buch „Spannung Leistung Widerstand“ und ein Festival in der Volksbühne. Wir drucken einen Auszug aus diesem Rückblick auf eine wilde Zeit vorab

INTERVIEW BERT PAPENFUSS
UND ALEXANDER PEHLEMANN

Papenfuß: Fangen wir an mit der musikalischen Ausbildung.

Trötsch: Klavier gelernt als Kind. Mit fünfzehn Jahren habe ich eine Band gemacht, die hieß Treibhaus. Zwischendurch bekam ich noch einen Preis vom Zentralrat der FDJ fürs Schreiben politischer Lieder. „Oh Vietnam“ und so, mit großen Ausrufezeichen. Mit achtzehn war ich Liedermacher, hab mit Bettina Wegener gespielt. Dann hab ich immer Bands nebenbei gehabt. Kirchenkonzerte gespielt, Bluesmessen. Und dann war ich im Knast, 1979.

Papenfuß: Warum eigentlich?

Asoziales Verhalten. Zwei Monate Schulden, zwei Monate nicht gearbeitet. Schulden bei der Kommunalen Wohnungsverwaltung. Dann durfte ich in Leipzig Musik studieren, als ich siebenundzwanzig war. Das habe ich zwei Jahre gemacht. Hab immer nebenbei Die Firma gehabt, in Bands gespielt.

Papenfuß: Die erste Band, die Schülerband, das war Treibhaus. Ist die auch aufgetreten?

Später, ab 79, als ich zwangsweise raus war, da hat es die noch ein paar Jahre gegeben. Das war die einzige Amateurband, die nur eigene Titel gemacht hatte. Hat der Staat gesagt: Das dürft ihr nicht als Amateure. Ihr habt keine staatliche Spielerlaubnis, um nur eigene Dinger zu machen. Ihr müsst also 60 Prozent Ostmusik nachspielen. Die restlichen 40 Prozent dürft ihr ein bisschen bekanntere Songs aus dem westlichen Ausland spielen. Damit war die ganze Geschichte für mich beendet. Ab 1980 war ich dann längergehend Liedermacher, für fünf oder sechs Jahre.

Papenfuß: Da hast du in Kirchen gespielt?

Kirchen, Friedenskreise. Was es eben gab. Meistens Kirchen. Staatlich auch ein paar Mal. Für ein Jahr haben sie mir sogar eine Berufspappe gegeben, da durfte ich hundertsechzig Mark nehmen. Aber dann hab ich aufgehört damit, weil das irgendwie auch keinen Sinn mehr hatte, und wir haben Die Firma durchgezogen, von 1982 an elf, zwölf Jahre. Die Firma, da waren Key Pankonin dabei, Tatjana, ich und irgendein mysteriöser Trommler. Und dieser Uwe, Opa nennen sie den alle. Irgendwann kam Thomas Schreiber dazu und Key Pankonin musste zur Armee. Als der wiederkam, meinte er, er will hier so einen Kaffee-&-Kuchen-Sozialismus wie Honecker. Da haben wir gesagt: ne du, nicht mehr. Er hat dann die Ich-Funktion gegründet. In der Grundbesetzung sind wir geblieben. Später kam Paul Landers dazu von Feeling B. So lief das bis 91. Da ist Paul raus und es kam Scholle, der jetzt auch bei Rammstein ist.

Pehlemann: Waren deine Liedermachertexte auch schon von härterer Gangart?

Bei der Verhaftung, da ging es schon darum: was haste da gesungen, politische Lieder usw. Ich bin ja mit Bettina Wegener aufgetreten, so zwei- , dreimal. Und dann hatten sie mich. Aus Versehen. Bei meiner Freundin ist die Wohnung abgebrannt, da hab ich gewohnt, denn in meiner haben sie mich ja gesucht. Auf einmal war ich, zack, in U-Haft und zehn Monate weg. Das alles wegen „asozialem Verhalten“. Aber bei der Vernehmung ging es immer: Bettina Wegener …, wen kennste da? Im Knast stellten sich dann die Genossen von der Stasi bei mir vor.

Papenfuß: Und die Texte, waren die von dir selbst?

Die hab ich selber gemacht. So: „Kleine dreckige Kinder spielen Räuber & Gendarm.“ Sie haben mir da auch Biermann-mäßige Tendenzen vorgeworfen.

Pehlemann: Neben der Firma hast du dann angefangen, für dich selbst zu basteln?

Teilweise. Mit zwei Kassettenrekordern, Papier untern Löschkopf, dann noch mal drauf singen und machen und tun. Aber es fing eher an mit kleinen Theatergruppen, die irgendwelche freien Geschichten gemacht haben. Die Firma, das war ja nur Mittel zum Zweck. Diese Bastelei, das war mir im Grunde immer viel wichtiger. Hörfilme oder so was zu machen. Dann die Sachen mit Flake (Christian Lorenz, heute bei Rammstein, Anm. d. Red.). Anti-Scratching-Sachen: Plattenspieler mit Creme-Dosen drauf oder angeritzte Platten, damit sich die Stellen wiederholen. Da hat man sich Zeug zusammengeborgt. Von Aljoscha (Rompe, Sänger von Feeling B, Anm. d. Red.) meistens, der konnte ja in den Westen fahren und hat Echogeräte aufgetrieben. Viel gelötet und gemacht und getan hab ich.

Papenfuß: Konntet ihr eigentlich von den Gagen leben?

Ach! Hast doch nix gekriegt. Was hatten wir: Einstufung Sonderklasse. Acht Mark fuffzich die Stunde. Wenn wir dreißig, vierzig Mark verdient haben, dann war das viel am Wochenende. Das haste gleich wieder ausgegeben.

Papenfuß: Wovon hast du gelebt?

Beim Bäcker gearbeitet. Bücherei in der Staatsbibliothek. An der Garderobe. Ich musste immer aufpassen, sonst hätten sie mich wegen asozialem Verhalten wieder eingeknastet. Zwei Jahre war ich ja Student, 85 bis 87. Nachdem meine Bewährung vom Knast vorbei war, durfte ich Komposition studieren. Das war auch eine völlige Scheiße: Wenn du in Russisch eine Vier hattest, hast du nicht bestanden! Oder Sport! Völlig bescheuert. Nach zwei Jahren habe ich da wieder aufgehört.

Papenfuß: Freiwillig gegangen?

Ich bin einfach irgendwann nicht mehr hingefahren. Da hatte sich das erledigt. Ich hatte einfach keine Lust mehr. Auf Marxismus-Leninismus. Ich hatte ja die Punkband. Bunte Haare an der Hochschule, da sind die alle verrückt geworden. Das war immer ganz lustig.

Papenfuß: Hat dir das was gebracht? Warum hast du das gemacht?

Ich wollte einen Berufsausweis, wollte unabhängig sein. Ich wollte auch nicht mehr arbeiten gehen. Ein Grundprinzip von mir ist eigentlich die Faulheit. Bei Musik brauch ich mich nicht anstrengen. Alles andere ist mir zu anstrengend.