: Dr. Rath weiß sich zu helfen
Vor dem Hamburger Amtsgericht begann der Prozess gegen den umstrittenen Vitamin-Arzt. Die Sektenbeauftragte sieht in ihm den „Guru“ einer „Psyho-Gruppe“, seine Anhänger verteidigen ihn
Von ELKE SPANNER
Um zu zeigen, wie fit sie sich fühlt, hat sich die ältere Dame eine knallgelbe Kappe aufgesetzt. Selbstbewusst reckt sie das Kinn, als sie verkündet, dass sie sogar noch Inlineskates läuft. „Dabei bin ich Jahrgang 1939“, sagt sie. Unter den rund 50 Zuschauern im Amtsgericht hat niemand Zweifel, dass die Frau die Wahrheit sagt, denn auch sie kaufen Vitaminpräparate bei Dr. Matthias Rath und sind von deren Heilungskräften überzeugt. Anders sieht das nur die Staatsanwaltschaft: Sie hat den Mediziner wegen Verstoßes gegen das Heilmittelwerbe- und Arzneimittelgesetz angeklagt. Gestern begann der Prozess.
Vom Geschäftssitz seiner Firma in den Niederlanden aus soll Rath per Internet Vitaminprodukte angeboten und vertrieben haben, ohne über eine arzneimittelrechtliche Zulassung zu verfügen. Außerdem soll er in der Produktbeschreibung therapeutische Wirkungen angepriesen haben, über welche die Präparate nicht verfügen. Über den Link auf eine entsprechende Webseite sowie durch eine Postwurfsendung in Hamburg im Dezember 2004 soll er zudem den Eindruck erweckt haben, dass seine Produkte akute Krebserkrankungen heilen könnten. „Wie Zell-Vitalstoffe Krebs gezielt bekämpfen“, erklärte er beispielsweise in der Sendung, die sich in Hamburger Briefkästen fand.
Rath selbst weist alle Vorwürfe zurück. Gegen das Arzneimittelgesetz habe er nicht verstoßen, weil es sich bei seinen Produkten nicht um Medikamente, sondern um Nahrungsergänzungsmittel handele. Er habe auch keine irreführenden Versprechungen über die Heilkraft der Wirkstoffe abgegeben. „Eine sichere Heilung bei Krebserkrankungen habe ich nie versprochen“, betont er.
Auch Ursula Caberta, die Sektenbeauftragte des Hamburger Senats, ist vor Ort im Gericht. Für sie ist Dr. Rath der „Guru“ einer „Psychogruppe“. Das verkündet sie vor dem Saal, womit sie sich keine Freunde macht. Aufgebracht drängt eine ältere Frau mit hochgestecktem Haar in Richtung Fernsehkameras. Man dürfe sich als Patient auch von der Staatsanwaltschaft nicht reinreden lassen, sagt sie. „Ich stärke Dr. Rath den Rücken.“
Selbst die Tragödie um den kleinen Dominik hat weder Rath noch seine Anhänger beirrt. Der Neunjährige starb im November 2004 an Krebs, nachdem seine Eltern die Chemotherapie abgebrochen und den Jungen mit den Präparaten von Dr. Rath weiterbehandelt hatten.
Die Obduktion eines Rechtsmediziners hat ergeben, dass Dominik an einem Tumor gestorben ist. Rath aber behauptete, den Jungen vom Krebs geheilt zu haben. Gestorben sei er nicht am Tumor, sondern an einem Bluterguss in der Brust. Kaum war der Junge beerdigt, teilte er auf der Postwurfsendung „Fakten und Fragen zu Dominiks Ableben – Die Wahrheit über Dominik“ mit.
Gestern erklärte er: „Das Schicksal des Jungen und sein Sterben haben mich außerordentlich berührt. Ich kann aber sagen, dass ich dafür keine Verantwortung trage.“