AKWs sollen länger laufen

Energiekonzern EnBW will Atomkonsens „modernisieren“. Das sei man dem Klima schuldig

BERLIN taz ■ Am Ende zitierte Utz Claassen Goethe. „Mehr Licht“ soll der sterbende Nationaldichter 1832 erfleht haben. Der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns EnBW wünschte der Welt gestern Aufhellung in doppeltem Sinne: mehr Energie und mehr Weisheit.

Zum Ende des hauseigenen Klima-Kongresses in Berlin, der gestern zu Ende ging, präsentierte sich Claassen als Denker unter den Vorstandsvorsitzenden. Beeindruckt von den Erkenntnissen der Evolutionsforschung, sagte er: „Der nächste Klimawandel wird uns die Existenz kosten.“ Die vom Menschen verursachte Erwärmung der Atmosphäre sei von „erdgeschichtlicher Bedeutung“.

In einer „Berliner Erklärung“ kündigte der Energiekonzern an, nach britischem Vorbild eine Interessengruppe von Top-Managern, Politikern und Wissenschaftlern zusammenzurufen, die für eine umweltfreundliche Energiepolitik eintreten soll. Nach Claassens Worten hat sich bei EnBW die Erkenntnis durchgesetzt, dass der deutsche Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid bis zum Jahr 2050 um 70 bis 80 Prozent reduziert werden müsse. Nur dann könne man den Klimawandel einigermaßen im Griff behalten. Langfristig höchste Priorität soll deshalb die Produktion von Energie aus regenerativen Quellen erhalten, unter anderem Wind und Sonne.

Während Claassen sich mit diesem Langfristziel im aufgeklärten Mainstream bewegt, markierte er für die mittelfristige Politik die speziellen Interessen seines Konzerns. Wenn EnBW das Atomkraftwerk Neckarwestheim wie vereinbart abschalte, müsse man es durch ein Steinkohle- und ein Gaskraftwerk ersetzen, sagte der Vorstandsvorsitzende. „Das erhöht die CO2-Emissionen“, anstatt sie zu senken. Claassen plädierte dafür, den zwischen Wirtschaft und rot-grüner Bundesregierung ausgehandelten Atomkonsens „zu modernisieren“. Um das Klimaproblem nicht zu verschärfen, sollen die Atomkraftwerke länger laufen als vereinbart.

Diese Überlegung sei nicht durch Profitdenken gespeist, so Claassen: „Die Quartalszahlen der nächsten 5 Jahre sind nicht so wichtig wie die 500 Millionen danach.“ HANNES KOCH