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Archiv-Artikel

Auf die Route kommt es an

FLUGLÄRM Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert größeres Gewicht für den Lärmschutz im Umfeld von Flughäfen. Strecken sollen präzise definiert werden und Grenzwerte auch für die Betriebszeiten gelten

Wirtschaftlichkeit und Lärmschutz sollten gleichwertig nebeneinanderstehen

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Der Lärmschutz und die Interessen von Flughafen-Anwohnern sollen bei der Festlegung von Flugrouten künftig besser geschützt werden. Das fordert der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) in einem 208-seitigen Sondergutachten, das am Mittwoch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) übergeben wurde.

Die Anwohner eines Flughafens stören sich vor allem am Lärm der startenden und landenden Flugzeuge. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, auf welchen Routen die Jets fliegen. Doch ausgerechnet bei der Festlegung der Flugrouten bestehen nach Ansicht des SRU „erhebliche Regelungsdefizite“, wie Rechtsprofessor und SRU-Mitglied Christian Calliess sagte.

Derzeit werden die künftigen Flugrouten bei der Planfeststellung eines Flughafens nur prognostiziert. Endgültig festgelegt werden die Routen erst Jahre später, durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. An die ursprünglich prognostizierten Routen ist das Amt dabei nicht gebunden. Es können plötzlich also ganz andere Anwohner und Kommunen betroffen sein, was jüngst beim Flughafen Berlin-Schönefeld zu großer Empörung führte. Und selbst diese Flugrouten stehen oft nur auf dem Papier, weil in der Praxis die Fluglotsen abweichende Routen genehmigen. Immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht 2012 entschieden, dass alle potenziell Betroffenen gegen die Planfeststellung eines Flughafens klagen können, eben weil sich die Flugrouten immer ändern können.

Der SRU will das Problem an der Wurzel packen und fordert auf allen drei Ebenen Verbesserungen. Bereits bei der Planfeststellung sollen die späteren Flugrouten möglichst präzise definiert werden. Spätere Abweichungen sollen nur mit tragfähiger Begründung möglich sein.

Bei der endgültigen Festlegung der Flugrouten durch das Bundesaufsichtsamt soll künftig eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) stattfinden. Dank UVP könnten auf dieser Stufe auch Kommunen und Anwohner ihre Interessen einbringen. Das Umweltbundesamt soll ein Vetorecht erhalten. Für die Abwägung alternativer Routen solle der Gesetzgeber klare Vorgaben machen. Vorrang solle natürlich die Sicherheit der Fluggäste haben. Dann aber sollten Wirtschaftlichkeit und Lärmschutz gleichwertig miteinander abgewogen werden. Heute habe oft die Wirtschaftlichkeit – zum Beispiel eine Kerosinersparnis durch kürzere Routen – höheres Gewicht.

Von diesen Flugrouten soll es, so der Sachverständigenrat, im Einzelfall nur noch dann Ausnahmegenehmigungen geben, wenn die Sicherheit oder das Wetter es erfordern. Ständige Abweichungen von den festgelegten Flugrouten, wie etwa in Berlin-Tegel, sollen nicht mehr möglich sein.

Um den Lärmschutz zu stärken, solle der Gesetzgeber endlich auch effektive Grenzwerte für Fluglärm einführen. Bisherige Grenzwerte definieren nur, ab wann Fluglärm als unerträglich gilt, sodass die Anwohner Anspruch auf den Einbau von Schallschutzfenstern haben. Nötig wären aber auch Grenzwerte, die bei der Bestimmung von Flugrouten und Betriebszeiten zu beachten sind.

Der SRU hält die gegenwärtige Gesetzeslage zwar für unzulänglich, aber nicht für verfassungswidrig. „Das sind vor allem rechtspolitische Vorschläge“, so SRU-Generalsekretär Christian Hey zur taz. Probleme gebe es allerdings mit dem EU-Recht. Die EU-Kommission hat gegen Deutschland im Mai 2013 bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil bei der Flugroutenbestimmung keine UVP vorgesehen ist.

Sollte der Gesetzgeber dem SRU folgen, dann müssten die neuen Anforderungen nicht nur beim Bau neuer Flughäfen berücksichtigt werden, sondern auch bei jeder Erweiterung eines Flughafens und bei jeder Änderung der Flugrouten. Als Erweiterung soll – anders als heute – schon jede bauliche Maßnahme gelten, die die Kapazität des Airports erhöht. Ob der Gesetzgeber die Vorschläge des Sachverständigenrats aufnimmt, ist eher fraglich. Schließlich gelten Flughäfen als Wachstumsmotoren, und oft ist die öffentliche Hand selbst am Betrieb der Flughäfen beteiligt.