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Archiv-Artikel

„An die Grenzen gestoßen“

Der neue Vorsitzende der SPD-Medienkommission, Marc Jan Eumann, rät zu Gelassenheit in Sachen PC-Gebühr – und fordert ein Ende der Kostenbegrenzung für die Online-Angebote von ARD und ZDF

Interview Steffen Grimberg

taz: Herr Eumann, wird in der digitalen Medienordnung alles besser?

Marc Jan Eumann: Die größte Chance ist, dass mit der Digitalisierung die Programmvielfalt weiter zunimmt. Das gilt vor allem für Inhalte, die es in der analogen Welt schwer hatten – lokale Sender oder vermeintlich exotische Randthemen zum Beispiel, die für mich aber das Salz in der Suppe ausmachen. Außerdem lassen sich neue Wertschöpfungsketten erschließen. Risiken gibt es natürlich auch, wobei ich zu denen gehöre, die lieber über Chancen reden – ohne die Risiken hinten anzustellen. Denn natürlich wird es immer wichtiger zu wissen, wie man bestimmte Inhalte im wachsenden Angebot überhaupt findet – und wer dahinter steckt. Ein anderer kritischer Punkt ist die Bezahlbarkeit: Die Budgets der Haushalte sind begrenzt, da sind Pläne wie der des Satellitenbetreibers SES Astra, jetzt eine eigene Gebühr zu erheben, kontraproduktiv.

Kurz gesagt: Die Herausforderungen, vor allem die finanziellen, an die Nutzer steigen?

Ich habe volles Verständnis dafür, dass die Plattformbetreiber in diesem Markt Geld verdienen wollen. Entscheidend ist aber, dass alle den Verbrauchern klare, verständliche Angebote machen. Wer sich jetzt lange über Software- oder Systemfragen streitet, wird diese Chance verspielen. Die Verbraucher brauchen Gewissheit, dass das, was sie jetzt kaufen, für die digitale Zukunft auch wirklich brauchbar ist.

Ist das Ihrer Meinung nach das größte Risiko?

Nein, das ist die Frage des gläsernen Kunden. Denn die neuen Abrechnungssysteme und die damit verbundene Verschlüsselung des Signals bedeuten auch Adressierbarkeit und Kontrolle, also Dokumentierbarkeit des Konsumverhaltens. Es wird eine ganz wichtige Aufgabe der Verbraucherzentralen sein, hier aufzuklären. Und eine ganz wichtige Aufgabe der Länder, für Medienkompetenz, für Sicherheit im Umgang mit diesen neuen Möglichkeiten, zu sorgen.

Was ist von der SPD-Medienpolitik konkret zu erwarten?

Die sozialdemokratische Medienpolitik ist jetzt gefordert, Meinungsvielfalt sicherzustellen und Konzentrationsprozesse bei den Anbieterplattformen zu verhindern. Wenn man Vielfalt sichern will, geht das nur über den barrierefreien Zugang: Keiner darf über seine Plattform einzelne Programme bevorzugen oder Exklusivität schaffen. Dass wir mit den alten Regelungen an die Grenzen gestoßen sind, zeigen ja die Entwicklungen beim Kabel und der Telekom, wo bisherige Signaltransporteure gewissermaßen selber zu Sendern werden. Hier sind wir gefordert, etwas Neues zu schaffen, was Vielfalt sichert, aber auch flexibel genug ist, um die Chancen der digitalen Zukunft zu nutzen.

ARD und ZDF sehen sich ja schon in die Ecke gedrängt, weil die Anzahl der privaten Programme dank Digitalisierung sprunghaft steigen dürfte.

Wenn es künftig mehr und mehr Programme gibt, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen seriösen Inhalten ein Alleinstellungsmerkmal. Und die Verantwortlichen bei ARD und ZDF wissen, dass das ihre Überlebensstrategie ist – durch Inhalte zu überzeugen. Insofern ist der ARD zu wünschen, dass die journalistisch völlig inakzeptablen Verträge mit Jan Ullrich wirklich bedauerliche Einzelfälle sind – sonst kommt sie in schweres Fahrwasser.

Wie geht es mit der Rundfunkgebühr für PCs weiter?

Es ist sinnvoll, wenn jetzt die PC-Gebühr – auch das ist ja nur ein Kampfbegriff – an die Grundgebühr gekoppelt wird. Wer da als Freiberufler wenigstens ein Radio im geleasten Wagen hat, ist ja schon auf der sicheren Seite. Und alle, die es bisher versäumt haben, sich anzumelden, haben so noch mal eine wunderbare Gelegenheit, das nachzuholen. Allerdings: Deutlich wird in dieser Debatte doch nur, dass man sehr rasch nach der für Dezember angekündigten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Gebührenfestlegung insgesamt überlegen muss, ob man das System nicht grundsätzlich umstellt. Die bisherige gerätespezifische Ausrichtung – wer ein Radio hat, bezahlt die Grundgebühr, wer ein TV-Gerät hat, zusätzlich noch die Fernsehgebühr – war im analogen Zeitalter nahe liegend. Aber in der digitalen Welt wird das zunehmend unübersichtlich, nehmen Sie nur die Problematik Rundfunkgebühr für Handy-TV: Da wäre ich dafür, wegzukommen von der geräteabhängigen Gebühr. Allerdings: Wer einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk will – und das will ich als Sozialdemokrat –, muss auch für die angemessene finanzielle Ausstattung sorgen.

Und wie soll die aussehen?

Es kann nicht immer nur um weniger gehen – sondern manchmal auch um mehr. Aus aktuellem Anlass werbe ich dafür, dass man die im Rundfunkstaatsvertrag verankerte Beschränkung der Online-Ausgaben bei den Öffentlich-Rechtlichen aufhebt. Es macht keinen Sinn, sie von diesen neuen Vertriebswegen auszuschließen. Das ist im Gegenteil eine überlebenswichtige Rolle, vor allem um junge Zielgruppen anzusprechen. Wer da jetzt weiter den Deckel drauf legt, gefährdet das ganze System.

Aber was soll die geräteabhängige Gebühr ersetzen?

Da gibt es die verschiedensten Modelle, aber ich glaube, jetzt ist es das Sinnvollste, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Diese hat Gesetzescharakter – dann werden sich auch die Länder verhalten müssen. Jetzt sich vorher übereilt über das „Was wäre, wenn?“ auszutauschen, ist angesichts dieses Zeitablaufs überflüssig.