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Archiv-Artikel

Die Grünen sind in Rheinland-Pfalz gefragt wie nie zuvor

KOALITIONEN Vor allem die SPD umwirbt die Partei, die bei den Landtagswahlen 16 Prozent holen könnte

Als „Banalos“ verspottet SPD-Ministerpräsident Kurt Beck die Grünen nicht mehr

MAINZ taz | Die Grünen in Rheinland-Pfalz können ihr Glück kaum fassen. Ein halbes Jahr vor der nächsten Landtagswahl sieht infratest dimap die Partei in der außerparlamentarischen Opposition bei satten 16 Prozent. Das erste Wahlziel der Grünen, der Wiedereinzug in den Landtag, wäre damit sicher erreicht. Und an den Grünen kämen bei einem solchen Ergebnis weder die SPD noch die CDU auf der Suche nach einem Partner zu Bildung einer Koalitionsregierung vorbei. Denn die FDP verpasst nach der aktuellen Umfrage mit 4 Prozent den Einzug in den Landtag. Und eine große Koalition, das betonen sowohl Ministerpräsident und SPD-Chef Kurt Beck als auch seine Herausforderin Julia Klöckner (CDU), sei in Rheinland-Pfalz überhaupt kein Thema.

Die Grünen sind also die von allen Seiten umworbene „Braut“. Ihre Spitzenkandidatin, Parteichefin Eveline Lemke, sagt, die Menschen in Rheinland-Pfalz hätten gemerkt, „dass wir Grüne die wichtigen Themen wie Bildung, soziale Gerechtigkeit und Energiepolitik glaubwürdig anpacken und für deren Umsetzung sorgen“. Vor allem die „klare Absage an den schwarz-gelben Atomkurs und die Lobbypolitik der Bundesregierung in Berlin“ werde honoriert, sagt Lemke. Auch in Rheinland-Pfalz hätten sich schließlich 64 Prozent der Befragten gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ausgesprochen.

Geht die Reise der Grünen also hin zur SPD von Beck, der nach dem Laufzeitverlängerungsbeschluss der Bundesregierung schon einmal rheinland-pfälzischen Widerstand dagegen im Bundesrat angekündigt hat? Becks Generalsekretärin Heike Raab und Umweltministerin Margit Conrad (SPD) jedenfalls reagierten prompt und luden die grüne APO Anfang Oktober zu einer gemeinsamen Pressekonferenz gegen die Berliner Atompolitik ein. Und Lemke kam gern. Sie betonte danach allerdings, SPD und Grüne seien aktuell „nur Bündnisparteien bei einem Projekt und mit einem klaren Ziel“. Kurz darauf demonstrierte das „rot-grüne Kampfbündnis“ (FAZ) dann Arm in Arm im saarländischen Perl gegen die schwarz-gelbe Revision des Atomausstiegsgesetzes und gegen das französische AKW in Cattenom gleich hinter der Grenze. Von „Banalos“, wie Kurt Beck die Grünen noch vor der letzten Landtagswahl verspottete, ist bei der SPD nicht mehr die Rede.

Also doch bald Rot-Grün in Rheinland-Pfalz? Mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke seien von der CDU „Türen zu uns zugeschlagen“ worden, konstatierte Daniel Köbler, grüner Kolandesvorsitzender. Dass die SPD stärkste Partei wird, ist nach der aktuellen Umfrage mehr als nur wahrscheinlich. Bei der Sonntagsfrage kommt die Partei trotz der leidigen Nürburgringaffäre (taz berichtete) auf 36 Prozent, die CDU nur auf 34 Prozent. Bei einer anderen Umfrage (PSEPHOS) erhält die SPD gar 42 Prozent. Beck propagiert denn auch „40 Prozent + x“.

Doch die Grünen werden für Beck nicht umsonst zu haben sein. Die „Brückenprobleme“ könnten ein Zusammengehen der beiden Parteien noch verhindern, heißt es in der grünen Parteizentrale in Mainz. Dahinter verbirgt sich vor allem der von der Landesregierung geplante Bau des gigantischen Hochmoselübergangs, einer Autobahnbrücke. Aber auch der von der Unesco inzwischen akzeptierte Bau einer Brücke im Weltkulturerbe Mittelrheintal.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT