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Archiv-Artikel

american pie Sportreporter unter Druck

Im Kino geht’s immer gut aus. Die Bösen landen hinter Gittern, der Gute wird als Held gefeiert und bekommt das Mädchen. Gute sieben Autostunden nördlich von Hollywood allerdings werden dieser Tage die Rollen vertauscht: In San Francisco sollen ausgerechnet die beiden Zeitungsreporter ins Gefängnis, die das größte amerikanische Doping-Netzwerk aufgedeckt und dokumentiert haben, während die Betrüger weiterhin auf freiem Fuß sind.

Lance Williams und Mark Fainaru-Wada brachten mit einer Serie von Artikeln im San Francisco Chronicle die Machenschaften des Bay Area Laboratory Co-Operative, kurz Balco, ans Licht, das Leichtathletik-Stars wie Marion Jones, aber auch Baseball- und Football-Profis mit damals nicht nachweisbaren Doping-Präparaten versorgte. In ihrem Buch „Game of Shadows“ schildern sie detailliert die jahrelange Doping-Praxis von Barry Bonds, dem besten Baseballspieler seiner Generation.

Bonds schlägt momentan für die San Francisco Giants in solch einer rekordverdächtigen Frequenz Homeruns, dass der Rest des Landes befürchtet, er könnte in der nächsten Saison Hank Aaron auf der ewigen Bestenliste überflügeln. Währenddessen schmort sein ehemaliger Privattrainer und Verbindungsmann zu Balco, Greg Anderson, in einem kalifornischen Gefängnis, weil er nicht gegen Barry Bonds aussagen will. Williams und Fainaru-Wada droht ein ähnliches Schicksal.

Ein Teil der Recherchen der beiden Reporter stützten sich auf eigentlich geheime Aussagen von Bonds und anderen Spitzensportlern im Prozess gegen die Balco-Verantwortlichen. Die Staatsanwaltschaft will wissen, wie die Verhörmanuskripte in die Hände der Journalisten geraten sind. Die aber wollen ihre Quellen nicht preisgeben. Staatsanwalt Douglas Miller ließ daraufhin verlauten, offensichtlich sei nur „eine Inhaftierung die Sorte Sanktion, mit der man ihre Aufmerksamkeit gewinnt“, und beantragte die Verhaftung der Reporter. Der zuständige Richter Jeffrey White schloss sich dieser Linie an: „Das Gericht hofft, dass die beiden ihre Position überdenken, wenn sie mit der Realität der Einkerkerung konfrontiert werden.“ Den preisgekrönten Berichterstattern drohen nun bis zu 18 Monate Beugehaft. Damit würden sie länger einsitzen als irgendeiner der Verurteilten im Balco-Prozess.

Die Journalisten geben zu, sich der Missachtung des Gerichts schuldig gemacht zu haben, fänden eine Geldstrafe oder sogar Hausarrest akzeptabel, wollen aber ihre Informanten schützen und haben erst einmal ein Berufungsgericht angerufen: „Ich muss meine Versprechen halten, wenn ich mein Wort gegeben habe“, sagte Williams. Tatsächlich droht nun eine grundsätzliche Auseinandersetzung über die Pressefreiheit, eine Verfassungskrise gar. Denn nach der Logik, die Staatsanwaltschaft und Gericht in San Francisco anwenden, wären auch die legendären Washington-Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein in den Knast gewandert, nachdem sie Watergate aufdeckten und Nixon stürzten.

Der aktuelle Präsident hat die Reporter zwar gelobt, seine Administration aber geht nicht nur in diesem Fall scharf gegen die Presse vor. Auch Journalisten der New York Times und der Washington Post, die über illegale Machenschaften der Geheimdienste berichtet hatten, wurden vorgeladen und unter Druck gesetzt. THOMAS WINKLER