Frau gegen Frau

Der größte Feind berufstätiger Frauen sind nicht Männer, sondern andere Frauen. Warum sich Stutenbissigkeit so hartnäckig hält und was dagegen hilft

VON BARBARA DRIBBUSCH

Das wird teuer. Umgerechnet 1,2 Millionen Euro muss die Deutsche Bank an ihre ehemalige Angestellte Helen Green in London zahlen, weil diese jahrelang von Kolleginnen schikaniert wurde und nach zwei Nervenzusammenbrüchen ihre vielversprechende Karriere aufgeben musste. Die Frauen hatten sie mit Psychoterror überzogen, taten mal so, als wäre sie gar nicht da, machten dann aber wieder Bemerkungen über die schlechte Luft, wenn sie den Raum betrat, und entfernten heimlich ihren Namen aus den Rundmail-Listen im Unternehmen.

Zeugen hatten das Frauenmobbing bei der Deutschen Bank als besonders fiese „Bitchiness“ beschrieben. Dies war zwar ein Extremfall. Hinterhältiges Konkurrenzverhalten unter Kolleginnen wird jedoch auch andernorts zum Thema, je mehr Frauen in Wirtschaft und öffentlichem Dienst in Führungspositionen aufsteigen. „Es ist ein systemischer Konflikt“, sagt die Kölner Managementberaterin Ilse Martin, „Frauen haben zum Beispiel nicht gelernt, Rangfolgen untereinander auszuhandeln.“

Die Begriffe „Stutenbissigkeit“ oder „Zickenterror“, die von der Boulevardpresse gerne für die Frauenkonkurrenz benützt werden, klingen dabei zwar irgendwie süß, verniedlichen aber die Heruntermache. Denn es handelt sich nicht um Sekretärinnen, die in der Kaffeepause über die Miniröcke der Neuen tratschen.

Das Problem ist ernster, wie nicht nur die hohe Schadenersatzforderung an die Deutsche Bank zeigt. Eine Umfrage der German Consulting Group unter 80 weiblichen Führungskräften ergab kürzlich, dass 75 Prozent der befragten Managerinnen insbesondere von Kolleginnen derselben Hierarchiestufe auf dem Weg zum Erfolg behindert wurden.

Nur 60 Prozent der Führungsfrauen hingegen erlebten die männlichen Mitarbeiter als blockierend.

Die Autorin Monika Keuthen benutzt in ihrem Ratgeber „Achtung: Kollegin. Wie Frauen mit weiblicher Konkurrenz souveräner umgehen können“ (Kösel-Verlag) das Bild vom „Krabbenkorb“. In einem Krabbenkorb darf keine Krabbe den Korb verlassen. Keine Krabbe lässt die andere hochkommen. Versucht sie es, wird sie von den anderen daran gehindert. Praktischerweise brauchen die Krabbenfischer deshalb auch gar keinen Deckel für den Korb. Die Funktion des Deckels übernehmen auch die Frauen untereinander von allein. „Das Spiel ist subtil: Herausragen und Anders- oder Besser-Sein der einen wird von den anderen sanktioniert“, schreibt Keuthen.

Nach ihrer Meinung spielen Frauen das Krabbenspiel aber nicht, weil sie aufgrund ihres Geschlechtes zum Kleinbleiben neigen. Vielmehr seien sie aufgrund ihrer entwicklungsgeschichtlichen Rolle als Frau, die den Nachwuchs großzog und für das Haus sorgte, eher auf Gemeinschaft gepolt worden. „Es waren die patriarchalen Strukturen, die diese ‚Gleichschaltung‘ verfügten“, so Keuthen.

Dieses Gebot der „Gleichheit“ aber funktioniert nicht mehr in einer Erwerbsgesellschaft, die auf Wettbewerb basiert. Vielmehr suchen sich die Aggressionen dann anderweitig ihre Bahnen und sorgen für pingelige Runtermache, unterschwelliges Ausschlussverhalten, überflüssiges Moralisieren oder krampfige Kuschelfreundlichkeit gegenüber Kolleginnen, die man an manchen Tagen lieber auf den Mond versetzen würde.

Dabei muss sich der Krabbenkrieg nicht unbedingt nur gegen Frauen richten, die den Chefjob wollen. Es reicht mitunter schon, dass Kolleginnen etwas anders machen wollen oder einfach nur engagierter sind als die restliche weibliche Belegschaft. Das gilt etwa an Schulen und in sozialen Berufen. „In der Altenpflege etwa kommt es immer vor, dass die eine ihren Job gerne tut, die andere aber ihre Arbeit nur als böse Pflicht betrachtet. Wenn eine Frau sich besonders engagiert, kommt sofort der Neid, der wird dann das Leben schwer gemacht“, erzählt Ursula Golderer, Gründerin der Berliner Selbsthilfegruppe „No Mobbing“. Die Gruppe tagt seit 13 Jahren mit immer wieder neuen Mitgliedern. „Frauen können kolossal gehässig sein“, sagt Golderer.

Männer werden eher von Vorgesetzten gemobbt, Frauen eher von Kolleginnen und Kollegen auf gleicher Ebene, hat Golderer beobachtet. Klassischer Fall ist immer noch das Führungsmobbing, in dem Schwächere von ihren Chefs herausgekegelt werden, oft unter Umgehung des Kündigungsschutzes. Nach dem Mobbing-Report der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin werden Betroffene in 60 Prozent der Fälle von Männern schikaniert und nur in 40 Prozent der Fälle von Frauen. Gemobbte Frauen allerdings werden zu 57 Prozent von Frauen und nur zu 43 Prozent von Männern mit Psychoterror überzogen – was ein Hinweis darauf ist, dass Schwächere gerne auch mal noch Schwächere fertig machen. Mobbing tritt übrigens dort besonders häufig auf, wo im Arbeitsumfeld viel gesprochen wird.

Ilse Martin hat jedoch auch viele positive Gegenbeispiele erlebt. Ein Training mit weiblichen Führungskräften eines großen IT-Konzerns räumte gleich zu Beginn mit überflüssigen Kuschelspielchen auf – die Frauen siezten sich. Am Ende zeigte die Gruppe eine Präsentation, in der jedes Mitglied mit seiner Leistung sichtbar wurde. „Es ist wie bei der Fußballweltmeisterschaft der Frauen“, sagt Martin, „da sind wir nicht Dritte geworden, sondern Weltmeisterinnen. In diesem Team müssen die Frauen Positionierungen und Verschiedenheiten lernen und akzeptieren und nicht als Bedrohung empfinden. Das kann man üben.“