Tanz auf drei Hochzeiten

Plattform für Experimente und Partnerschaften, aber auch Treffpunkt für Aktivisten: In Berlin haben sich gleich drei zusätzliche Kunstmessen etabliert, die parallel zum Art Forum am Funkturm starten

von MEIKE JANSEN

Die Konsolidierung schreitet voran. Im Windschatten des Art Forum präsentieren sich auf drei weiteren Messen mehr als 150 Galerien, Projekträume und KünsterInnengruppen. Die Aufmerksamkeit teilt sich: die 2005 bereits im ersten Jahr zur hippen Tochter des Art Forum avancierte Preview; die Berliner Liste, deren programmatisch bunter Blumenstrauß im letzten Jahr etwas enttäuschend war; und der Kunstsalon mit seiner chaotischen Kreativität.

Dabei gibt es in diesem Jahr die ersten GaleristInnen, die sich die verschiedenen Profile der drei Plattformen zunutze machen. Neben der Frankfurter Galerie U 7 und der Berliner Galerie Kunstpunkt haben auch die Kunstagenten, eine 2004 gegründete Berliner Galerie, die sich in den letzten zwölf Monaten merklich profiliert hat, den Tanz auf mehreren Hochzeiten für sich entdeckt. Mit dem bislang erfolgreich vorangetriebenen Vorhaben, mit den KünstlerInnen der Galerie partnerschaftlich den gemeinsamen Weg zum internationalen Erfolg einzuschlagen, passt Stefanie Feldbuschs und Andreas Wiesners Unternehmen hervorragend auf die Preview Berlin – The Emerging Art Fair. Zumal die ab heute bis zum 3. Oktober stattfindende Messe nicht mit Superlativen – noch mehr Raum, noch mehr Qualität – geizt. Denn nach dem Erfolg 2005 hat das Preview-Team um die Galeristen Kristian Jarmuschek, Tobias Kuttner, Rüdiger Lange und Ralf Schmitt 22 neue Galerien für die Backfabrik hinzugewonnen. Das sind bei 52 TeilnehmerInnen insgesamt fast die Hälfte an Neuzugängen. Eine hohe Fluktuation, die einerseits dem furiosen Start und überhaupt einem wachsenden AusstellerInneninteresse zuzurechnen ist, andererseits aber auch etwas über das naturgemäß hohe Galeriensterben unter Neustartern aussagt.

Neben der herkömmlichen Galeriepräsentation auf der Preview haben die Kunstagenten nun also für den experimentellen Bildhauer Thorsten Brinkmann auch einen Soloauftritt auf dem Kunstsalon organisiert. So kann sich zumindest einer ihrer Künstler in seiner ganzen Produktionsvielfalt zeigen. Eine günstige Standmiete macht das möglich. Es bleibt zu hoffen, dass diesem Beispiel für eine umfangreiche Künstlerpräsenz in Zukunft noch weitere Galerien folgen können. Denn die Querelen mit Falk Walter, in dessen Arena der Kunstsalon seit 2004 stattfindet, scheinen kein Ende zu nehmen. Vor sechs Wochen ließ er verlauten, dass der Kunstsalon aus baurechtlichen Gründen abgesagt werden müsse. Der Katalogdruck und zahlreiche Vorbereitungen mussten gestoppt werden.

Drei Wochen später, nachdem ein Ausweichort gefunden, neu kalkuliert und das Ergebnis dann Walter präsentiert wurde, ging es plötzlich doch. Dass es den Kunstsalon nächstes Jahr noch geben wird, ist indes keine Frage. Unklar ist eher, an welchem Ort das sich langsam abzeichnende, alternative Messekonzept weiterentwickelt werden könnte – und wie die neuen Konditionen die Fortschritte beeinflussen.

Noch nah am Hot Spot Schlesische Straße angesiedelt, verfügt der Kunstsalon mit 4.500 Quadratmetern nach dem Art Forum über die größte Ausstellungsfläche der vier Messen. Deshalb wird hier Wert auf geräumige, offene Stände gelegt sowie auf großformatige Arbeiten, die sonst nicht auf Messen gezeigt werden können. Dazu gehört die gut 12 Meter breite Videoinstallation von Zalgiris, die die Galerie Lifebomb aus dem Wedding mitbringt. Das Café wird teilweise von den aus St. Petersburg stammenden Kunstaktivisten FNO bespielt, die in ihren Arbeiten auf die politische Kraft der russischen Performancekunst aufbauen.

Über die kleinste Raumkapazität verfügt die morgen eröffnende Berliner Liste. Dabei stellen im Umspannwerk in Prenzlauer Berg auf 2.300 Quadratmetern immerhin 42 Galerien aus. Gut, dass es mehr Platz gibt als im letzten Jahr – damals platzten die Räume aus den Nähten. Als besonderer Anreiz steht der aktuelle Katalog bereits im Netz (www.berliner-liste.org). Wie auf der Preview wird es hier einen Extrabereich für Videokunst geben, in dem ungestört Talenten aus der UdK nachspürt werden kann. Zudem haben auch Galerien wie van eijk’s good, Binz & Krämer oder Loge spezielle Videoräume eingerichtet.

Auf allen Messen wird auf jeden Fall einer auftauchen: der Kunstkontakter Konstantin Schneider. Als Mann mit der Kamera auf dem Bauhelm gibt er sich unermüdlich als Paparazzo und konfrontiert die BesucherInnen der diversen Kunstevents mit seinen schrägen Fragen. Wer also selbst nicht alle Eröffnungen schafft oder den Rummel lieber aus zweiter Hand genießen möchte: Am Montagabend wird der Kunstkontakter sein Messe-Best-Of auf dem Kunstsalon präsentieren – böse Kommentare inklusive.

Preview, bis 3. 10., 14–21 Uhr, Backfabrik, Saarbrücker Straße 36–38Berliner Liste, 29. 9. bis 4. 10., Umspannwerk Kopenhagener StraßeBerliner Kunstsalon, bis 2. 10., 13–22 Uhr, im Glashaus der Arena, Eichenstraße 4