: „Überlegt euch vorher, was ihr tut“
PID Lebensschützer Martin Lohmann über Präimplantationsdiagnostik als Selektion und die Verantwortung des Kinderzeugens
■ 53, Vorsitzender des Bundesverbands Lebensrecht und Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU. Der Ex-Chefredakteur der Rhein-Zeitung ist Verlagsleiter im Kölner Bachem-Haus.
INTERVIEW HEIKE HAARHOFF
taz: Herr Lohmann, Sie fordern ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID), also genetischer Untersuchungen an Embryonen, die im Labor gezeugt wurden. Warum?
Martin Lohmann: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Es gibt kein mehrwertiges und kein minderwertiges Leben, es gibt nur menschliches Leben. Das ist gleichwertig kostbar, ob gesund oder nicht. Deswegen darf es keine Selektion geben, egal in welchem Stadium des Lebens.
Die PID selektiert nicht. Sie hilft, tödliche Erbkrankheiten frühzeitig zu erkennen und Leid zu ersparen: solchen Paaren, die Fehlgeburten hatten. Oder deren Kinder unmittelbar nach der Geburt gestorben sind.
Menschliches Leben verlangt Verantwortung. Diese beinhaltet, dass man sich, bevor menschliches Leben entsteht, überlegt, ob man die Verantwortung später zu tragen bereit ist. Es gibt nur ein klares Ja zum Leben und kein Ja zum Töten. Deshalb sind alle aufgerufen, die wissen, dass es Erbkrankheiten gibt, erst gar nicht in diese Konfliktsituation zu geraten. Unter Umständen muss man den Verzicht üben.
Wer eine Erbkrankheit hat und diese nicht weitergeben will, soll sich besser nicht fortpflanzen?
Ich weiß, dass es eine ganz schwierige Entscheidung ist, auf ein leibliches Kind zu verzichten. Der Wunsch nach Kindern in unserer Gesellschaft ist bei vielen Menschen da, und viele kön- nen ihn nicht erleben. Das ist ein schweres Kreuz. Aber auch schwere Kreuze rechtfertigen nicht, mit dem Leben eines Menschen zu experimentieren.
Es geht nicht um Experimente, sondern um Diagnostik.
In dem Moment, wo Eizelle und Samenzelle sich verbinden, sind alle Dispositionen für den neuen Menschen vorhanden. Es ist kein werdendes Leben, sondern wachsendes. Man muss den Menschen sagen, überlegt euch vorher, was ihr tut. Wir müssen erkennen, dass nicht alles im Leben, was wünschbar ist, auch machbar sein kann.
Wir haben den Embryonenschutz längst relativiert. Schwangerschaftsabbrüche sind bis zur zwölften Woche möglich. Wenn es Hinweise auf starke Missbildungen gibt, dürfen Schwangerschaften sogar noch kurz vor der Geburt beendet werden.
Kein Fehlverhalten rechtfertigt ein neues Fehlverhalten. Ich bin nicht der Meinung, dass Schwangerschaftsabbrüche bis zur zwölften Woche oder sogar darüber hinaus okay sind. Denn dann müsste man sich fragen, wenn ein Kind im Alter von drei oder vier Jahren einen schweren Unfall hat und dann nur noch schwerstbehindert leben kann, was machen wir dann mit diesem Kind? Töten wir es?
Offiziell gibt es 114.000 Abtreibungen im Jahr in Deutschland. Wäre es nicht sinnvoll, zumindest einige dieser Abtreibungen dank PID zu vermeiden?
Ich weiß, dass die Abtreibungen Realität sind. Aber ich gebe mich mit dieser Realität nicht zufrieden. Diese Gesellschaft hat eine unterentwickelte Mentalität des Helfens, was das noch nicht geborene Leben angeht. Daran müssen wir kräftig arbeiten.
Derzeit ist die PID nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs erlaubt.
Ja, noch. Aber die CDU-Vorsitzende hat gesagt, sie soll verboten werden.
Ihre Lobbyarbeit in Ehren. Was aber, wenn der Fraktionszwang aufgehoben wird und das Parlament ein Fortpflanzungsmedizingesetz beschließt, das PID erlaubt?
Ich hielte eine solche Entscheidung für den Einstieg in den Abschied von einer humanen Gesellschaft. Die Diskriminierung Behinderter würde zunehmen. Es ist schon heute so, dass sich Menschen, die sich für ein behindertes Kind entschieden haben, in der Öffentlichkeit Bemerkungen gefallen lassen müssen wie: War das nötig?
Die empirische Sozialforschung widerlegt Ihren Eindruck: Die Akzeptanz behinderter Menschen in Deutschland hat zugenommen.
Vielleicht, was die älteren Behinderten angeht. Die Sensibilität gegenüber jungen behinderten Menschen scheint mir nicht gewachsen zu sein. Ich kann nur hoffen, dass wir nie nach Katalog werden aussuchen können, welche Kinder wir haben wollen, mit welchen Augenfarben und welchen Begabungen.
Das ist Polemik. Rein technisch ist das unmöglich.
Noch nicht, aber warten Sie mal ab. Weil es solche Wünsche gibt, ist dies keine Polemik, sondern leider Beschreibung einer Wunschwirklichkeit.
In europäischen Nachbarländern ist die PID seit Jahren erlaubt. Das hat nicht zu massenhaften Gentests an Embryonen geführt.
Es geht nicht um die Masse. Menschenleben sind nicht quantifizierbar.