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Archiv-Artikel

Bundesanwälte ermitteln gegen USA

In den Mannheimer Coleman Barracks sollen arabische Gefangene gefoltert worden sein, sagt Friedensaktivist Peter Wright. Er beruft sich auf einen Soldaten, der die Misshandlungen beobachtet haben will. Der Mann ist allerdings verschwunden

VON CHRISTIAN RATH

Die Bundesanwaltschaft bestätigt: „Ja, es gibt diesen Ermittlungsvorgang“. Derzeit werde geprüft, ob in der US-Kaserne Coleman Barracks in Mannheim über Monate hinweg drei arabische Gefangene festgehalten und mit Elektroschocks gefoltert wurden. Das Military Confinement Center ist das zentrale US-Militärgefängnis in Europa. Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass hier gefoltert wurde, mitten in Deutschland also, dann wäre das ein Skandal ersten Ranges.

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch den Friedensaktivisten Peter Wright, der am 13. September bei der Staatsanwaltschaft Mannheim Strafanzeige stellte. Er sagt, ihm habe sich ein US-Soldat anvertraut, der im Militärgefängnis der Coleman Barracks zum Wachpersonal gehört und die Folterungen mit eigenen Augen gesehen habe. Weil es hier um Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch geht, gaben die Mannheimer Ankläger das Verfahren an die Bundesanwaltschaft ab, die Peter Wright Ende September sofort einbestellte.

Wright ist ein eingebürgerter Schotte, der als Elektronik-Ingenieur schon lange in Deutschland lebt. Er ist seit den 80er-Jahren in der Friedensbewegung aktiv und Mitglied der Mannheimer Grünen. Immer wieder verteilt er in einem Einkaufszentrum im benachbarten Viernheim Flugblätter, um die dort häufig anzutreffenden US-Soldaten über den Irakkrieg aufzuklären. „So kam ich am 9. August mit einem jungen Soldaten ins Gespräch, der gerade selbst jemanden suchte, dem er sich anvertrauen konnte“, sagte Wright der taz.

Die beiden Männer gingen auf den Parkplatz und setzten sich in Wrights Kleinwagen. Der heute 44-jährige Wright war 1980 selbst mit der englischen Armee in Nordirland, konnte sich also gut in einen Soldaten einfühlen. Die beiden trafen sich insgesamt sechs Mal, im Einkaufszentrum oder in McDonald’s-Restaurants.

Der Soldat soll John Pierce heißen. Er schilderte, dass im April drei Männer in das Mannheimer Confinement Center gebracht wurden, die nur arabisch sprachen. Die Männer seien auf Betten ohne Matratze gelegt und wochenlang mit Hand- und Fußschellen ans Gestell gefesselt worden – ohne Möglichkeit, sich zu bewegen. Gelegentlich seien die Araber von zwei Männern und einer Frau befragt worden, die von den Wachen für CIA-Mitarbeiter gehalten wurden. Sie wurden jeweils für die Verhöre eingeflogen.

Bei den Befragungen hätten sie Elektroschocks angewendet, wobei das eine Elektrodenkabel am Bettgestell befestigt worden sei und das andere an den Genitalien der Männer. Die sonstigen Gefangenen in der Facility hätten die Schreie der Gefolterten gehört. Später hätten die Wachen mit Hilfe von Feldtelefonen eigene Elektroschock-Vorrichtungen gebaut, um die drei Gefangenen ruhig zu stellen oder zum Spaß zu quälen. Am 3. September seien die drei Araber nach Guantánamo geflogen worden. All das berichtete Peter Wright dem Bundesanwalt Wolf-Dieter Dietrich und zwei Beamten des Bundeskriminalamtes. Dreieinhalb Stunden wurde er angehört. Allerdings ist Wright nur Zeuge vom Hörensagen. Und der eigentliche Zeuge John Pierce ist verschwunden.

Wright hatte versucht, Pierce bei der Fahnenflucht zu helfen, hatte eine Fluchtwohnung organisiert. Doch am 24. September wartete er am vereinbarten Treffpunkt auf dem Mannheimer Hauptbahnhof vergeblich. Auch die aus London angereisten Vertreter von amnesty international und anwesende Stern-Reporter waren enttäuscht.

Gibt es den Soldaten John Pierce überhaupt – und wenn ja, hat er die Wahrheit erzählt? „In dieser Einheit“ gebe es keinen John Pierce, sagte eine US-Army-Sprecherin dem Onlinedienst stern.de, der Wrights Vorwürfe erstmals veröffentlichte. Wright hat nicht einmal ein Foto von John Pierce gemacht. „Ich bin kein Profi und habe nicht daran gedacht“, sagte Wright am Wochenende der taz. Per Kleinanzeige im Mannheimer Morgen sucht Wright jetzt die deutsche Freundin von John Pierce, deren Namen ihm aber auch nicht bekannt ist.

Immerhin kann Wright erklären, warum sein Informant keine Fotos der Araber und der Elektroschock-Vorrichtungen beibringen konnte. „Nach Abu Ghraib sind die Amerikaner supervorsichtig geworden, es dürfen keinerlei Kameras und Foto-Handys im Zellenblock benutzt werden.“ John Pierce habe ihm erzählt, dass sich die Mannheimer Wachsoldaten vor Dienstbeginn gegenseitig durchsuchen. Im irakischen Gefängnis Abu Ghraib hatten US-Soldaten Gefangene misshandelt und die unmenschliche Praxis auch noch triumphierend selbst auf Bildern festgehalten.

Wie Aktivisten der Friedensbewegung berichten, gehörten die Soldaten von Abu Ghraib der gleichen Einheit an wie die Wachsoldaten in Mannheim, der 18th Military Police Brigade.