Panzersperre für den Privatsalon

Der Pariser Platz, Berlins „gute Stube“, ist mit der US-Botschaft fertig. Öffentlich nutzbar bleibt aber nur die Akademie der Künste. Das Sicherheitsinteresse des neuen Nachbarn wird auch sie treffen

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Es gibt viele gute Perspektiven auf den Pariser Platz. Eine der besten hat Klaus Staeck, renommierter Plakatkünstler und Präsident der Akademie der Künste. Sein Büro liegt im dritten Obergeschoss des Akademie-Glaspalastes, die große Fensterscheibe reicht von der Decke bis hinunter zum Fußboden und von links bis rechts über die gesamte Länge des lichten Raums.

Staeck hat seinen Schreibtisch mit Blick nach draußen postiert. Im Panorama vis-à-vis steht die trutzige französische Botschaft, flankiert von der Dresdner Bank auf der einen sowie den sachlich-strengen Häusern „Liebermann“ und „Sommer“ auf der anderen Seite. Ganz links im Bild rangiert das Brandenburger Tor, das einzige Original des fast zweihundert Jahre alten Platzes. Inmitten der Neubauten kommt es wie eine Fälschung daher. Nicht einsehen kann Staeck die massige DG-Bank und die Amerikanische Botschaft, deren Bau – der heute Richtfest feiert – nun den Pariser Platz wieder vervollständigt.

Dass der Senat von Berlin den Raum bis auf die Akademie ausschließlich an private Bauherren vergeben hat, macht dem Akademiepräsidenten Sorgen. „Es ist ein privilegierter Ort in Berlin, ein offener, unabhängiger und öffentlicher Ort.“ Doch während die Akademie der Künste mit ihrem öffentlichen Charakter und ihrer baulichen Transparenz „ein Symbol für den öffentlichen Raum“ bilde, bedrohten die „privaten Interessen“ diesen Anspruch des Platzes.

Richtig ist, dass der Platz als Aufenthaltsraum keinen wirklichen allgemeinen und nutzbaren Charakter hat. Die einstige „gute Stube“ Berlins, das 1814 gestaltete „Quareé“ mit seinen Palais und Botschaften, gepflegten Geschäfts- und Wohnbauten, Bänken, Grünflächen, Gehsteigen und Straßen, hat diese Offenheit und Öffentlichkeit seit 1945 eingebüßt. Während des Krieges wurde der Pariser Platz weitgehend zerstört, das Brandenburger Tor stand zu DDR-Zeiten als Solitär herum. Der Platz war Grenzgebiet, der alte Akademiebau eine notdürftig reparierte Ruine. Der neue Pariser Platz ist jedoch keine Rekonstruktion gehobener Mischung und Urbanität, sondern ein Entwurf der Künstlichkeit, dem sich das Leben – bis auf das touristische und das von Events – entzieht.

Grund dafür war zum einen die Vorgabe des Senats, in Anlehnung an das historische Berlin ausschließlich Steinbauten zu errichten. Die Akademie beharrte gegen diese Monotonie als einziges Haus auf einer Glasfront – und löste damit den fast schon legendären Berliner „Fassadenstreit“ aus. Zum anderen war die Entscheidung, mehrheitlich Botschaften und Banken, das teure historisierende Hotel Adlon und semiöffentliche Einrichtungen sowie elaborierte Kulturstiftungen anzusiedeln, Gift für einen wahrhaft lebendigen Platz am Eingang zur Stadtmitte.

Natürlich ist der Pariser Platz nicht tot. Am Adlon brummt es, Taxis halten, Bürger, Stars und Staatsgäste kommen und gehen. Das Brandenburger Tor ist touristischer Anziehungspunkt, die Banken und Nobelarchitekturen haben ihre Besucher. Einzig die Akademie mit Foyer, Café und Passage zum Holocaust-Mahnmal ist kein kommerzieller oder abgeschotteter Raum.

Die amerikanische Botschaft wird diese Abschottung multiplizieren. Zum „komplizierten Partner Adlon“ – wenn dort Staatsgäste absteigen und Akademiebesucher dann zu Umwegen zwingen –, wie Hans Gerhard Hannesen, Präsidialsekretär der Akademie, sagt, komme ein noch schwierigerer. Es sei doch klar, dass im Krisenfall die Anlieger mit den US-Sicherheitsvorkehrungen konfrontiert würden und leben müssten. Hannesen: „Amerika ist in die Terrorentwicklung gekommen, es wäre unrealistisch für uns, die Konsequenzen zu ignorieren.“ Anders gesagt, der ganze Pariser Platz wird Teil der Kontrollen, Absperrungen und Umleitungen. Die Aussagen der Bauarbeiter gestern vor dem Haus sind eindeutig: „Wir bauen hier ’ne Panzersperre.“