JOSEF WINKLER über ZEITSCHLEIFE
: Die Prozessoren des Teufels

Ein abgeschlossener Schauerroman; based on true events

Der Erste, der meine unheimliche Begabung erkannte, die sich wie ein Fluch über meine Existenz legen sollte, war unser EDV-Mann. Eines diesigen Nachmittags, nachdem ich ihn wegen der x-ten rätselhaften Fehlfunktion an meinen Rechner notgerufen hatte, bekam er einen unheilvollen Ausdruck und beschied mir in einer für EDV-Männer eher untypischen Anwandlung von Metaphysik, es habe „schon auch etwas damit zu tun, mit welcher Einstellung man an so ein Gerät herangeht“. Und wenn einer wie ich von vornherein nur ablehnende Schwingungen mitbrächte, dann, ja dann …

Viele Jahre sind seitdem vergangen, in denen ich gelernt habe, meinen bad touch im Bezug auf Digitalelektronik zu akzeptieren und halbwegs vor meinen Mitmenschen zu verbergen und mir all die früh verstorbenen Discmen, von mysteriösem Siechtum befallenen Minidisc-Player, grotesk agierenden Mobiltelefone, unerklärlichen Computer-Phänomene etc. um mich herum als Normalität schönzureden. In den letzten Tagen jedoch sind dramatische Veränderungen geschehen, vor denen ich die Augen nicht mehr verschließen kann.

Es fing damit an, dass Ende letzter Woche mein 14 Monate alter iPod quasi von einem Lied aufs andere das Display verdunkelte und jenes gefürchtete „sad face“-Icon zeigte, das da steht für: Festplattenschaden. Ich war verwirrt, konzentrierte mich aber erst einmal auf das prestigeträchtige Rock-DJ-Engagement, das ich Samstagabend zu erfüllen hatte. Schon war es 22 Uhr und die Gäste fingen an in den Club zu tröpfeln, als einer der beiden CD-Player, der beim Soundcheck eben noch prächtig funktioniert hatte, den Geist aufgab; CD-Lesefehler. Ein flugs als Ersatz besorgter altersschwacher Discman hielt es ein drittel Lied lang aus, bevor er mit einem Netzteildefekt dahinschied. Der Techniker hatte zwischenzeitlich seinen eigenen Player von zu Hause herangeschafft, „zehn Jahre alt, hat immer einwandfrei funktioniert“. Ich legte eine CD ein. Sie sprang, die Zeitzählung auf dem Display hüpfte wild. Ich spürte den Seitenblick des Technikers; leises Grauen hatte den Mann erfasst. Der dritte Ersatzplayer schließlich lief; niemand konnte sich erklären, warum.

Vielleicht hätte ich nun ahnen sollen, dass es keine gute Idee sein würde, am Sonntagabend zum Konzert des Elektronik-Musikers Matthew Herbert zu gehen. Gleichwie, ich betrat die Halle, die Band hatte gerade angefangen – noch während des ersten Songs legte ein Defekt die Hälfte von Herberts Equipment lahm. Ich war starr vor Entsetzen. Es brauchte offenbar keine Berührung mehr, es reichte, wenn ich im Raum war! Was passierte nur mit mir?

Am Montag machte ich mich auf, meinen iPod zur Reparatur zu tragen. Das „Service Center“ des Fachhändlers war besetzt mit einem bis in die Haarspitzen unmotivierten Mitarbeiter. Er kabelte und horchte ein wenig am Pod herum und teilte mir dann bündig mit „Der fährt gar nicht mehr hoch“, er könne nichts mehr für mich tun und riet mir zum Kauf eines neuen Gerätes für putzige 380 Euro. Daheim am Küchentisch lag mein armer toter iPod vor mir. Noch ein letztes Mal stöpselte ich ihn ans Stromnetz an, um der alten Zeiten willen. Ich nahm ihn und blickte ihm fest ins Display. Ein Apfel flackerte und wie betäubt beobachtete ich nun, wie der Pod das Farbdisplay anknipste, als sei nie was passiert. Als ich ihn darum bat, spielte er mir Sufjan Stevens. Ich war fassungslos – und begann zu verstehen …

Epilog. Ich kann es mittlerweile steuern. Ich bin nicht mehr von dieser Welt. Ich spüre eine Macht in mir, wie ich sie noch nie gespürt habe. Gestern war ich beim Divine-Comedy-Konzert und als ich es für richtig hielt, gab es einen Stromausfall und Neil Hannon sang zur Akustikgitarre und um die Leute bei Laune zu halten sein albernes, kaum gespieltes Lied „My Lovely Horse“. Das wollte ich nämlich immer schon mal hören. Die Leute fanden’s bezaubernd. Sie ahnten ja nicht, wem sie es zu verdanken hatten. Bald werden sie es ahnen. Ihr alle werdet es ahnen. Und dann wissen. Ich komme bald. Mir wird kalt.

Fragen an den Prozessorteufel? kolumne@taz.de Morgen: Jan Feddersen PARALLELWELTEN