Party von solider Kratzbürstigkeit

Auch wenn längst nicht jeder Kostümwechsel einleuchten wollte: Pink, die Beste unter den amerikanischen Pop-Schabracken, wusste am Dienstagabend in der Max-Schmeling-Halle zu begeistern. Sie gab sich politisch und sang tonsicher, sogar kopfüber

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Werden jetzt die Konzerte der großen Popstars immer mehr zu Musicals? In einem gewagten Outfit zwischen SS- und New-York-Cops-Uniform kam Pink am Dienstagabend auf die Bühne der nahezu vollen Max-Schmeling-Halle. Sie kam und sang, aber sie blieb immer nur kurz.

Es ist ja auch ein Kreuz mit der Garderobe – kaum ist ein Lied zu Ende, rennt Pink raus, um sich umzuziehen. Die Zuschauer werden in der Zwischenzeit mit Flamencotänzen, „Lady Marmalade“-Interpretationen der Backgroundsängerinnen, Leo-Kottke-inspirierten Folkgitarreneinlagen oder sentimental-affigen Piano-in- und -outros mehr gelangweilt als unterhalten. Dabei singt sie so gut, ihre Stimme klingt so rauchig und voll, so wohltönend und unerschütterlich tonsicher!

Zwischen den Kostümwechseln hört man die Hits der letzten Jahre, „Trouble“ oder die aktuelle Single „Who Knew“ . Auch kommt es schon früh zu Akrobatikeinlagen. So wird die Sängerin von ihren Tänzerinnen in einem Netz gefangen, in dem sie sich dann singend und Spagat ausübend wälzt.

Pink singt überhaupt gern im Liegen: Die erste Strophe von „Like A Pill“ gibt sie in Rückenlage auf dem Schlagzeugpodest, später, zu lautem Gitarrensolo, legt sie sich vor den Verstärker. Dann wird auf der Leinwand das Skandalvideo „Stupid Girls“ eingeblendet und Pink stakst als Lil’ Kim verkleidet auf die Bühne, die Tänzerinnen verkörpern eine vollbusige Britney und natürlich die einfältige Christina Aguilera, die dann von der rotzigen Pink davongejagt wird. In dem Song „Stupid Girls“ wendet sich Pink nämlich gegen Schlankeitswahn und Essstörungen und die dümmliche sexuelle Selbstvermarktung der Tussen aus dem Showgeschäft.

Man fragt sich zwar kurz, warum Pink dann zuvor mit Lil’ und Christina im Erfolgsvideo „Lady Marmalde“ in Strapsen getanzt hat und das gleiche Produzententeam wie die geschassten Kolleginnen beschäftigt, aber es wird schon seine Gründe haben. „Stupid Girls“ ist wegen seiner massenhaften Verbreitung in Ton und Bild auch als feministisches Statement goldwert.

Ein Tiefpunkt des sonst rasanten Konzertes ist erreicht, als Barhocker aufgebaut werden und der Zupfgeigenhansel und die Backgroundsängerinnen Bob Marleys „Redemption Song“ anstimmen. Zur letzten Strophe kommt Pink, ganz hippieesk barfuß, in einem weißen Kleid auf die Bühne, es folgen ein weiterer etwa zwölfstrophiger Folksong und dann noch das langatmige „Dear Mr President“ von der aktuellen CD „I’m Not Dead“.

Und bei aller Liebe zu Pink und allem Abscheu George W. gegenüber: Man kann dieses standardisierte Präsidentenbashing amerikanischer Künstler, das sich meist sowieso nur auf ihre Europakonzerte beschränkt, nicht mehr hören. Schon gar nicht, wenn es so dumm-verkitscht daherkommt wie in „Dear Mr President“ – bildlich untermalt von Videoeinspielungen mit verelendeten schwarzen Babys, Hurrikanschäden und ratlosen Soldaten im Irak.

Zum Glück nimmt aber auch der besinnlichste Teil mal ein Ende, Pink rauscht von der Bühne – wahrscheinlich zum Umziehen –, und dann wird ein chromblitzendes Motorrad aus der Versenkung gefahren, auf dem sich die von der Hippie- zur Rockerbraut verwandelte Sängerin fortan in Lederslip, Stiefeln und Bustier räkelt. Ach, trotz aller Kitschsongs ist Pink doch die Beste, gemessen an all den anderen Pop-Schabracken wie Christina, Britney, Paris oder Jessica! Ihre rotzige Coolness, ihre burschikose Mädchenhaftigkeit, ihre solide Kratzbürstigkeit! Sie schreibt wenigstens einige Songs selbst, und sie scheint doch so etwas wie eine Persönlichkeit zu haben. Und sie schont sich nicht.

Die Coverversion des 4-Non-Blondes-Hits „What’s Up?“ gerät zur Mitgrölnummer, bei „Fingers“ werden elektronische Beats und Discolicht aufgefahren, dann ist Pink leider wieder weg, kommt aber für „God Is A DJ“ noch mal in einer Art Lederbadeanzug zurück.

Die Zugabe wird atemberaubend. Zu „Get The Party Started“ schaukelt sich die zierliche Sängerin an einer pinken Stoffbahn etwa fünf Meter in die Höhe, schwingt über die Köpfe der Zuschauer, bindet dann das Tuch zum Trapez zurecht, lässt sich ungesichert kopfüber hängen und singt dabei noch.

Danach ist die Party dann leider schon vorbei.