: Bücher nur noch von der Stange
Immer mehr Buchhändler in NRW werden von den großen Ketten übernommen. Darunter leiden auch kleine Verlage, die ihre speziellen Angebote bei den Großen nicht unterbringen können
VON MANFRED GÖTZKE
Ein paar haben geweint, andere sind einfach stumm rausgegangen bei der letzten Mitarbeiterversammlung von „Bücher Krüger“. Am Montag Abend erfuhren die Mitarbeiter, dass die Dortmunder Buchhandlung mit fast 180-jähriger Tradition an den großen Konkurrenten 50 Meter weiter westlich geht. Ab 2007 wird die Mayersche Buchhandlung den Laden übernehmen, die vor sieben Jahren ihren Literaturtempel auf dem Dortmunder Westenhellweg errichtet hat.
Da gibt es Bücher auf 5.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, der zweitgrößten in ganz Deutschland – mit Literaturcafé, WDR-Sendungen und prominenten Lesungen. „So einen Mitbewerber auf dem Markt merken wir natürlich“, sagt Rainer Scholten, der nun seit 38 Jahre Geschäftsführer bei Krüger ist. Fünfte Generation im Familienbetrieb. Das Alter sei der Hauptgrund für die Übernahme, sagt Scholten. „Ich bin jetzt 63, gehe bald in Pension und meine Kinder arbeiten in anderen Berufen.“
„Ein klassischer Fall“, sagt Susanne Meinel vom Börsenverband des deutschen Buchhandels in NRW. Eine kleine Buchhandlung sucht einen Nachfolger und findet nur eine der großen Ketten.
Drei große Filialisten beherrschen den Markt in NRW: Die größte ist nach dem Zusammenschluss von Hugendubel und Weltbild die Kette DHB, dann folgt die Thalia Gruppe und schließlich die Mayersche, die sich mit 20 Filialen auf NRW konzentriert. Alle drei Ketten expandieren, zu Lasten der Kleinen: Gab es vor sieben Jahren in NRW noch knapp 980 Buchhändler, sind es heute nur noch 890.
Der Wettbewerb ist härter geworden. Seit Jahren stagniert der Absatz und Internethändler wie „Amazon“ oder „Libri.de“ sichern sich Jahr für Jahr mehr Marktanteile. Mittlerweile werden fast sieben Prozent der Bücher im Internet bestellt.
Dadurch hat sich auch der Wettbewerb bei den großen Ketten verschärft. „Es geht nicht mehr um Groß gegen Klein, sondern Groß gegen Groß“, sagt Meinel. Bestes Beispiel ist der Zusammenschluss von Hugendubel und Weltbild vor zwei Monaten – hier gab es kein Nachfolgeproblem. Und auch in Dortmund hat nicht Bücher-Krüger die Initiative zur Übernahme ergriffen: „Die Mayersche hat sich an uns gewendet, sie wollten unsere Umsätze, damit keine zweite Kette nach Dortmund kommt“, sagt Scholten. Der wirtschaftliche Vorteil der Großen liegt auf der Hand: Bei den Verlagen können sie höhere Rabatte aushandeln, weil sie höhere Stückzahlen beziehen.
Das schwächt nicht nur die Position der kleinen Buchhandlungen, sondern auch die der Verlage. „Der Handel und nicht mehr die Verlage bestimmen mittlerweile die Konditionen“, sagt Susanne Meinel vom Börsenverein. Auch wird es für kleinere Verlage schwieriger, ihre Bücher zu platzieren. Während kleine Buchhandlungen häufig noch immer durch Vertreter auf neue Bücher aufmerksam werden, kaufen die großen zentral ein. Das macht es für neue Produkte schwierig: Sandro Lucifora hat seinen Sachbuch-Verlag „rent-a-mind“ in Hagen vor einem Jahr gegründet. Seine Bücher bei Thalia und Co. zu platzieren, hält er mittlerweile für aussichtslos. „Für Verlage, die noch keine großen Erfolge vorweisen, ist es unheimlich schwierig, in den Zentraleinkauf zu kommen.“ Chancen sieht er eher bei kleinen, spezialisierten Buchhandlungen.
Die kleineren Buchhandlungen bleibt oft nur der Rückzug in die Nische als Überlebensstrategie. So sind in den letzten Jahren etwa spezielle Buchhandlungen für Hörbücher entstanden, oder eine Krimi-Bibliothek in Köln, deren Sortiment größer ist, als das der großen Ketten.
Trotz Konzentration und Nischenbildung – teurer wird es für den Verbraucher nicht: Durch die Preisbindung kosten Bücher nach wie vor überall gleich viel.