: Grundsätzlich anderer Meinung
PROGRAMM Die Grünen streiten über Wachstum und Grundeinkommen
BERLIN taz | Streng genommen ist die Chance für einen „Green New Deal“ vorbei. Das Konzept war für die Grünen die Antwort auf die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise und brachte der Partei bei den letzten Europa- und Bundestagswahlen beachtliche Stimmenzuwächse. Die Idee dahinter: Große staatliche Investitionen in grüne Technologie sollten nicht nur die Auswirkungen der Wirtschaftskrise begrenzen, sondern gleichzeitig die Wirtschaft gegen die sich verschärfende Rohstoffknappheit und den Klimawandel wappnen. In der Sozialpolitik setzt der Green New Deal vor allem auf das Thema Bildung um gesellschaftliche Barrieren durchgängig zu machen.
Die Zeit der großen Konjunkturprogramme als Antwort auf die Krise ist zwar längst vorbei, doch die Grünen halten an dem Konzept fest. Allerdings wird bei nahezu jeder Veranstaltung zum Thema die Frage diskutiert, ob der Green New Deal nicht zu sehr in den Grenzen des bestehenden Wirtschaftssystems bleibt und dem Kapitalismus nur ein grünes Mäntelchen überwirft. Die Kritiker suchen stattdessen nach Wegen, den herrschenden Wachstumszwang, der unter anderem durch die wachsende Verschuldung der Staaten stärker wird, zu überwinden. Denn jeder Prozentpunkt zusätzliches Wirtschaftswachstum frisst Ressourcen. Wie das gehen kann, soll eine entsprechende Enquetekommission des Bundestages herausfinden, für die sich SPD und Grüne einsetzen.
Diese müsste sich allerdings auch Gedanken machen über ein anderes Sozialsystem. Denn noch braucht ein Land wie Deutschland Wachstum. Es schafft neue Arbeitsplätze, die durch stets steigende Produktivität der Unternehmen an anderer Stelle wegfallen, und finanziert die Renten-, Arbeitslosen- und Krankenkassen.
Ein wichtiger Baustein für ein neues Sozialsystem könnte das bedingungslose Grundeinkommen sein, bei dem jeder Bürger vom Staat ohne Gegenleistung so viel Geld bekommt, dass er davon leben kann. Doch auch dieses Konzept wird innerhalb der Grünen kontrovers diskutiert. Die einen warnen davor, dass ein Grundeinkommen gerade bei bildungsfernen Schichten den Anreiz zur Teilhabe an der Gesellschaft schwächen kann, und halten es für ungerecht, wenn Gutverdiener und Millionäre ein Recht auf ein Grundeinkommen haben. Andere betonen den dadurch zu gewinnenden Freiraum für mehr Teilzeitstellen und ehrenamtliches Engagement. STEPHAN KOSCH