: Jetzt kommt der Beutelmann
Hassos Haufen sollen weg. Während die bezirklichen Ordnungsämter mit einer Aktionswoche gegen Hundekot mobilmachen, hat Toilettenkönig Wall eine konkretere Idee: saugfähige Elektroroller
VON KONRAD LITSCHKO
Die Häufchen sind am Dampfen in Berlin: Stattliche 55 Tonnen sind es täglich. Berlins 150.000 Vierbeiner verursachen jeden Tag rund 400.000 bis 500.000 Hundehaufen, schätzt Bernd Müller, Sprecher der Berliner Stadtreinigung (BSR). „Mit dieser Zahl an Tieren nimmt Berlin einen Spitzenplatz bei den Hundeliebhabern weltweit ein“, ist sich Müller sicher. Doch nicht jeder Hauptstädter ist erbaut über die Bellos, Fiffis und Hassos. Spätestens dann nicht, wenn mal wieder Verdauungsreste der possierlichen Vierbeiner an der Schuhsohle kleben.
Doch genau dagegen beginnt sich die Hauptstadt zu wappnen: Die Ordnungsämter der Bezirke beginnen am kommenden Montag eine Aktionswoche gegen den Hundedreck. „Das Thema ist natürlich immer aktuell. Aber wir wollten den Berlinern mal wieder ins Bewusstsein rufen, die Haufen ihrer Hunde auch bitte zu entfernen“, erklärt Sabine Heidrich-Joswig, Leiterin des Neuköllner Ordnungsamts und Mitinitiatorin der Kampagne. Für die Behörden hat die Durchführung einer Aktionswoche zu dieser Thematik Premiere. Jeder Bezirk wolle sich unterschiedlich mit „Streetworkern“ an die Bürger wenden, Herrchen und Frauchen auch direkt ansprechen. Infostände, umfangreiche Plakatierungen und das Verteilen von 50.000 Hundekotbeuteln sind geplant.
„Letztlich sind wir ja immer die Buhmänner, wenn wir beim Bürger für die liegen gelassenen Haufen kassieren müssen“, so Heidrich-Joswig. „Da kann unsere Aktion auch einen Wink geben, Geld zu sparen.“ 35 Euro sind inzwischen für diese Ordnungswidrigkeit zu zahlen, die nach der Kampagne auch konsequent eingefordert werden sollen. Seit Jahresbeginn hat es in Heidrich-Joswigs Bezirk Neukölln 92 Hundehalter erwischt, die für die Haufen ihres Tieres blechen mussten. Eine verhältnismäßig kleine Zahl – kein Wunder, müssten Hund und Besitzer doch in flagranti erwischt werden, so Heidrich-Joswig.
Aber warum tut sich der Berliner so schwer mit den Hundekotbeuteln? „Das Liegenlassen der Haufen hat sich seit Jahrzehnten eingeschliffen“, erklärt Michael Krockauer, Gesellschafter bei dem Berliner Projektbüro Stadt&Hund. „Das ist ein typisches Großstadtproblem: Die Menschen übernehmen hier keine Verantwortung für den öffentlichen Raum.“ Sein Projektbüro forscht seit 2003 nach nachhaltigen Lösungsstrategien gegen Hundehaufen in dicht besiedelten Stadtgebieten. Die Initiative fordert statt kostspieliger Technik eine stärkere Motivierung der Tierhalter zur Benutzung von Hundekotbeuteln. In Berlin haben die Planer 150 Stationen mit den Abfalltüten eingerichtet. Allesamt erst nach empirischer Recherche: Allein im Weddinger Sprengelkiez wurden zur „Kot-Kartierung“ 15-mal die Bürgersteige abgelaufen und die darauf befindlichen Hundeknödel gezählt. Schließlich wollte man den exakten Bedarf an Tütenspendern ermitteln. An der Aktionswoche der Ordnungsämter wird sich das Büro auch beteiligen. Mit ihrem lebensgroßen „Beutelkasten-Mann“ werden sie am kommenden Mittwoch auf dem Boxhagener Platz Aufklärungsarbeit leisten.
Auch die Stadtreinigung trägt ihr Scherflein zur Kampagne bei. „Alles was der Sauberkeit dieser Stadt dient, unterstützen wir“, sagt BSR-Sprecher Müller. Sein Unternehmen wird die zu verteilenden Hundetüten finanzieren. Die täglich herumgammelnden Hundehaufen binden bei der Arbeit der BSR einige Kapazitäten. Bereits mehrfach hat die Stadtreinigung in Öffentlichkeitskampagnen an die Berliner Hundehalter appelliert.
Für den Toilettenkönig und Außenwerbungsvermieter Hans Wall sind solche Aktionen wahrscheinlich Peanuts. Er zauberte kürzlich eine futuristische Option aus dem Hut: einen kotsaugenden Elektroroller und öffentliche Hundestationen. Während die „Dogservice“-Stationen mit ihren in Tüten integrierten Schaufeln den herkömmlichen Beutelspendern ähneln, kommt der hypermoderne „Segway“-Roller spaciger daher: Mit flüssigem Stickstoff werden die Haufen vereist und aufgesaugt. Jeweils ein Mitarbeiter könnte mit dem zweirädrigen Gefährt über die Bürgersteige düsen.
Ginge es nach Hans Wall, wäre dieser Rollerfahrer ein Angesteller der BSR. Am Mittwoch führte die Wall AG ein erstes Gespräch mit der Stadtreinigung über eine mögliche Einführung der Roller. Über die Inhalte schweigen beide Seiten eisern. BSR-Sprecher Müller bleibt allerdings skeptisch. Bereits 1998 habe sein Unternehmen zwölf mobile Hundekotmaschinen angeschafft, die auch mit einem Saugrüssel versehen waren. „800 bis 1.000 Haufen haben die pro Tour geschluckt“, erinnert sich Müller. Inzwischen seien die Maschinen aber „outgesourct“ worden – ihr Betrieb war einfach zu teuer.
Auch Ordnungsamtschefin Heidrich-Joswig bleibt zurückhaltend, wiewohl man für „technische Neuerungen aufgeschlossen“ sei. Gänzlich ablehnend steht Michael Krockauer vom Büro Stadt&Hund den Elektrorollern gegenüber: „Das ist doch ein völlig falsches Signal.“ Neben den hohen Kosten animiere solch ein Gerät zur weiteren Nachlässigkeit der Hundehalter. Krockauer plädiert weiter für die Tüten-Variante: „Meine Vision wären ja 5.000 Beutelstationen in der ganzen Stadt. Dann könnte sich auch kein Hundehalter mehr herausreden.“