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Archiv-Artikel

Der General, der auf Tony Blair feuert

Von einem Zerwürfnis mit dem britischen Premierminister wegen dessen Irak-Strategie könne keine Rede sein, sagte General Sir Richard Dannatt. Tony Blair wird anderer Meinung sein. Dannatt, der 55-jährige Oberbefehlshaber der britischen Armee, der den Job erst vor sechs Wochen übernommen hat, erklärte vorgestern in einem Interview mit der Daily Mail, dass die britische Truppenpräsenz im Irak Gewalt provoziere und die 7.000 Soldaten deshalb schleunigst abgezogen werden sollten. „Die Stationierung im Irak verschärft die Schwierigkeiten, mit denen wir in der Welt konfrontiert sind“, sagte er.

Gestern versuchte Dannatt, die Sache herunterzuspielen: Er sei ja nicht der Erste, der einen Truppenabzug gefordert habe, sagte er: „Kaum etwas, das ich in dem Interview gesagt habe, waren irgendwelche Neuigkeiten. Ich nehme keins meiner Worte zurück.“ Dannatt hat in Großbritannien heftige Diskussionen ausgelöst. Noch nie hat ein solch hochrangiger Offizier seine Regierung so deutlich kritisiert. Doug Henderson, der frühere Staatssekretär für die Armee, sagte: „Die Soldaten an der Front fragen sich jetzt, warum sie überhaupt dort sind.“ Einer von Dannatts drei Söhnen ist im Irak.

Sarah Sands, die das Interview geführt hatte, räumte gestern ein, der General habe als Soldat gesprochen und keinen politischen Kommentar abgegeben. Blair kam in dem 90-minütigen Gespräch kein einziges mal vor. Ihre Zeitung schrieb dennoch von einer „vernichtenden Breitseite gegen die Außenpolitik des Premierministers“.

Nach Studien an der Durham University und der Militärakademie Sandhurst trat Dannatt 1971 in die Armee-Einheit der „Green Howards“ ein. Dannatt war mit dem 1. Bataillon in Nordirland, Zypern und Deutschland stationiert. Von 1994 bis 1996 leitete er die 4. Brigade in Deutschland und Bosnien. 1999 war er Kommandant der britischen Truppen im Kosovo, ein Jahr später wurde er stellvertretender SFOR-Kommandant.

Dannatt ist außerdem Feldwebel der Militärpolizei, der Luftwaffe und der Infanterie. Er ist Präsident der Waffenvereinigung des Militärs, des Armee-Rugbyclubs, des Verbands für Bibelstudium der Luftwaffe sowie Vizepräsident des Christlichen Vereins der Soldaten.

Dannatt glaubt, dass die Schwächung christlicher Werte in der westlichen Welt der „räuberischen islamistischen Vision“ Vorschub leiste. Er sagte aber auch: „Als Ausländer kann man in einem muslimischen Land willkommen sein, wenn man eingeladen ist. Wir waren aber nicht eingeladen. Wir haben mit unserer Militärkampagne 2003 praktisch die Tür eingetreten.“ RALF SOTSCHECK

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