Rettungsschuss aus den Wäldern von Georgia

GOLF Weil dem 20-jährigen US-Amerikaner Jordan Spieth die Nerven versagen, gewinnt sein Landsmann Bubba Watson das Masters

Das Masters, Golfturnier aller Golfturniere, steht reichlich bedeutungsschwanger für eine Mixtur aus Tradition, Prestige, Ehrfurcht, Mystik. Man mag das vorschnell für Inszenierung und Show halten, aber etwas irreal Aufgeladenes vermittelt das Turnier in Augusta, Georgia schon. Da wurde der Engländer Nick Faldo, 56, bekannt als eher grantiger Gesell, bei Kaminfeuer-Atmosphäre am Wochenende interviewt über seine Siege 1989 und 1990. Launig und lebendig gab Faldo seine Schmonzetten zum Besten; als er aber von Demut und Dankbarkeit spricht nach dem letzten entscheidenden Putt damals, beim ersten Mal, schluckt er, die Stimme bricht, der Mann kämpft mit den Tränen. Mythos Masters.

Das Turnier, das alle so gierig zu gewinnen trachten. Und das die Menschen vor allem in den USA geradezu süchtig macht. Der Schüler Jordan Spieth zum Beispiel schwänzte Jahr um Jahr im April zwei Tage die Klasse: „Ich bin lieber in die Bibliothek gegangen, da konnte ich online heimlich Augusta sehen.“

Spieth aus Dallas ist dann Golfprofi geworden, hat am Wochenende erstmals das Masters gespielt und war einer der zwei auffallend schmallippigen US-Amerikaner, die am Sonntag gemeinsam als letzte auf den Kurs gingen, schlaggleich führend. Der andere war Linkshänder Bubba Watson, 35, der Sieger von 2012. Shootingstar Spieth gewann kürzlich mit 19 sein erstes Profiturnier und sagte: „In einem Jahr bin ich ein anderer geworden.“ Jetzt Masters, das sei „der nächste Spaßlevel“. Um hinterherzuschieben: „Wenn ich das Masters gewinne, wird sich mein Leben noch mal total ändern.“

20 Minuten fehlten dem 20-Jährigen zum Turnaround des jungen Daseins. Erst hatte er Landsmann Watson mit einem Birdie-Gewitter zwei Schläge hinter sich gelassen. Er wäre der jüngste Masters-Champion der Geschichte gewesen. Dann kamen die Löcher 8 und 9, auf denen der junge Mann plötzlich Sicherheit, Nerven und vier Schläge verlor. Den Vorsprung ließ sich Watson nicht mehr nehmen. Spieth teilte sich mit dem Schweden Jonas Blixt Platz 2.

Perfekt inszeniert war Watsons vorentscheidender Abschlag an Loch 13. Ein Monster-Drive längs über die Ausgrenze und Bäume hinweg, wo sonst niemand spielt. Wie 2012: Da hatte Watson mit einem spektakulären Rettungsschuss aus den Wäldern von Georgia seinen Sieg eingeleitet. Spieth, den sie schon als „neuen Tiger Woods“ feiern, meinte altklug: „Ich nehme etwas Positives mit: Ich fühle, dass ich bereit bin, hier zu gewinnen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“

Die bekommt er gewiss. In Augusta demonstrierten die Golfprofis, was das Masters so einzigartig macht: Nirgends sonst können Jung und Alt auf dem gleichen Topniveau zusammenspielen. Im Falle Bernhard Langer sogar Jung gegen sehr Alt. 56 Jahre ist das zeitlose Wunder aus Florida, einst Anhausen. Eine 69 spielte er am Schlusstag und katapultierte sich nach einem souverän soliden Turnier noch auf Rang 8 und zu der ungewohnt unbescheidenen Erkenntnis „Ich habe großartig gespielt.“

Noch besser als Langer war Miguel Angel Jimenez. Der knittergesichtige Spanier mit dem mächtigen Pferdeschwanz endete auf Platz 4 und spielte am Samstag mit 66 die beste Runde des ganzen Turniers. Jimenez ist aber auch erst zarte 50. Sechs Ü50-Spieler schafften es auf ihre Masters-Bestmarke. Golf, immer noch fälschlich als Altherrensport verspottet, hier war er es tatsächlich – auf höchstem Weltniveau.

Der inzwischen bald mittelalte Martin Kaymer, 29, spielte zeitweise fast wie einst (puttete nur reihenweise am Loch vorbei) und erreichte seine beste Masters-Platzierung mit Platz 31. Die Woche sei „okay gelaufen“, meinte er. Vielleicht muss Martin Kaymer noch ein Vierteljahrhundert reifen bis zum Sieg in Augusta, Georgia. BERND MÜLLENDER