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Archiv-Artikel

Kranke in NRW zu günstig

Pech für die Krankenhäuser im Land: Für die gleiche Leistung bekommen Kliniken in anderen Bundesländern wesentlich mehr Geld. NRW-Gesundheitsminister fordert einheitliche Vergütung

VON ANNE HERRBERG

Acht Millionen Euro fehlen dem Mindener Klinikchef Gerald Östreich für das kommende Jahr. Dabei läge die Lösung für seine Haushaltsprobleme doch so nah – nur zehn Kilometer östlich. „In Niedersachen hätte ich überhaupt keine finanziellen Probleme“, sagt Östreich, Vorstandsvorsitzender des Klinikverbunds Minden-Lübbeke. Krankenhäuser in NRW bekommen für die gleiche Leistung weniger Geld als Häuser in anderen Bundesländern.

Die Unterschiede sind erheblich: Für eine Hüftprothese bekommt Östreich 7.086 Euro erstattet, samt Nachsorge und Pflegeleistung. Im Nachbarland Niedersachsen wären es 270 Euro mehr, in Rheinland-Pfalz sogar 710 Euro. Bei 72.000 stationär versorgten Patienten im Jahr macht das einen Kostenunterschied von 18 Millionen Euro. „So mal kurz über die Landesgrenze“, sagt Östreich, „das passt doch nicht.“ Unterstützung erhofft sich Östreich von NRW-Gesundheitsminister Laumann (CDU) und fordert „Waffengleichheit: eine bundeseinheitliche Vergütung von Leistung“. Auch Hans-Jürgen Winckelmann vom Zweckverband der Krankenhäuser Südwestfalen sagt: „Wir haben einen extremen Wettbewerbsnachteil.“

Grund für die Tarifunterschiede ist der so genannte Basisfallwert. Der wird von Krankenhäusern und Kostenträgern für jedes Bundesland festgelegt und dann, je nach Leistung, mit einer bundeseinheitlichen Pauschale multipliziert. Beim Basisfallwert ist NRW als bevölkerungsreichstes Land Schlusslicht, gemeinsam mit Schleswig-Holstein, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. „Wir werden zu einheitlichen Preisen gezwungen, kriegen aber keine einheitliche Rückzahlung“, sagt Östreich, „das schlägt voll durch!“

Der Grund für die Unterschiede klingt paradox: Bis in die 1990er Jahre wurde das Budget einer Klinik anhand ihrer Ausgaben festgesetzt. „Kliniken in NRW arbeiten traditionell sehr wirtschaftlich“, erklärt Gesundheitsökonom Jürgen Wasem, auch wegen der hohen Anzahl von 60 Prozent an freien gemeinnützigen Krankenhäusern in NRW. Was früher eingespart wurde, gelte in den Verhandlungen nun als Richtwert. „Eine verrückte Welt“, sagt Östreich, „jetzt werden wir für unsere Wirtschaftlichkeit bestraft.“ Das sei eine Verdrehung der Tatsachen, so Karl-Josef Steden, Pressesprecher der AOK Westfalen-Lippe. NRW habe eine sehr hohe Bettendichte. „Unterm Strich zahlen die Krankenkassen in NRW pro Einwohner sogar mehr als in anderen Bundesländern.“ Daher der niedrige Satz.

Das NRW-Gesundheitsministerium will diese Ungleichheit jedoch nicht länger akzeptieren. „Das geht so nicht weiter“, sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dem WDR. Mit einer Bundesratsinitiative will er sich dafür einsetzen, dass deutschlandweit einheitliche Vergütungssätze vereinbart werden. Die sollen unter dem derzeitigen Höchstwert, aber über dem NRW-Tarif liegen. Es könne nicht sein, dass NRW-Kliniken sparen müssten, während in anderen Bundesländern weiter aus dem Vollen geschöpft werde, so Laumann.

Zudem käme im Jahr 2007 eine ganze „Liste der Grausamkeiten“ auf die Krankenhäuser zu, sagt Östreich. Im Zuge der Gesundheitsreform wird die Budgetierung um ein Prozent gekürzt, die Mehrwertsteuer erhöht und auch die steigenden Energiekosten setzten den Kliniken zu. „Die Bundesregierung tut immer so, als gingen diese Entwicklungen völlig schadlos an den Kliniken vorüber“, beschwert sich Östreich. „Dabei habe ich jetzt schon absolut defizitäre Häuser.“ Gesundheitsökonom Wasem sieht dafür nur eine Lösung: „Das wirtschaftlich sinnvollste wäre, Betten zu reduzieren, dann könnte auch der Basisfallwert angepasst werden.“